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Pferdesommer mit Lara

Pferdesommer mit Lara

Titel: Pferdesommer mit Lara
Autoren: Ursula Isbel
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ist erst der Anfang«, sagte ich.
    »Hoffentlich kommen sie nicht hierher und machen Zoff, weil Bonnie und Fee im Wasser sind.«
    »Wieso denn?«
    »Es gibt jede Menge Leute, die Tiere für unhygienisch halten und meinen, sie würden das Wasser verunreinigen. Dabei ist es genau umgekehrt. Wir Menschen sind’s doch, die die Gewässer verschmutzen.«
    »Dann sag es ihnen, falls sie kommen und motzen.«
    Er seufzte leicht. »Ich hab keinen Bock auf Streit.«
    »Wenn du nichts sagst, tu ich es. Es ist ungerecht, und es schadet den Leuten nicht, wenn sie mal über ihre Dummheit nachdenken. Tiere haben auf unserer Welt sowieso kaum noch Rechte.«
    Wir gingen jetzt nebeneinanderher zu der Stelle, an der die Stute und der Labrador spielten. Bonnie sprang übermütig um das Pferd herum und versuchte, es spielerisch in die Hinterbeine zu zwicken. Die Stute schnaubte und prustete wie ein Wasserspeier.
    Während ich den beiden zusah, fühlte ich mich plötzlich wie verwandelt. Es war, als hätte jemand einen bösen Zauber von mir genommen. Die dumpfe Bedrückung und hoffnungslose Leere, die nun schon so lange auf mir lastete, hob sich wie ein dunkler Vorhang.
    Vielleicht waren es die spielenden Tiere, ihre Freude und Unbeschwertheit, die mir für Augenblicke eine Ahnung davon zurückbrachten, wie ich mich einst gefühlt hatte, als mein Leben noch in Ordnung war. Dass es auch mit Arne zu tun hatte, mit seiner Gegenwart, begriff ich erst viel später.

6
    Ich erwachte noch früher als sonst. Mein erster Gedanke war, dass ich diese seltsame Verabredung mit dem Jungen aus Eulenbrook hatte, von dem ich bisher nur den Nachnamen wusste.
    Er hatte Ronjas Ohrring gefunden. Das grenzte an ein Wunder, wenn ich mir den dschungelähnlichen Zustand des alten Gartens vorstellte. Vielleicht war es ja ein Zeichen - aber wofür?
    Zum ersten Mal kam mir der Gedanke, dass ich Eulenbrook nicht wirklich verloren hatte, sondern dass sich nur etwas änderte und verwandelte, wenn ich offen dafür war.
    Um halb sechs stand ich auf, duschte und wusch mir die Haare. Meine Haare sind das Schönste an mir, finde ich, von Natur aus gelockt, schulterlang und glänzend wie reife Kastanien. Sie verdeckten meinen schrecklich mageren Hals und die Schlüsselbeine, die so hässlich hervortraten und mich immer an ein Gerippe erinnerten, wenn ich in den Spiegel sah.
    Meine Eltern schliefen noch. Ich ging in die Küche und aß ein Knäckebrot mit etwas Butter, ausnahmsweise ohne Widerwillen. Es schmeckte sogar ganz gut, wenn auch etwas staubig, und hinterließ nicht dieses Gefühl in meinem Magen, als hätte ich einen Ziegelstein geschluckt.
    Dann steckte ich einen Apfel in meinen kleinen Rucksack und radelte los. Noch war alles still; niemand begegnete mir. Ich merkte erst, dass ein Gewitter aufzog, als ich auf den Trampelpfad zum Waldsee abbog. Die Wolkengebirge hatten schwarze, tiefviolette und schwefelgelbe Ränder und in der Ferne sah ich Blitze zucken. Eine wunderliche, spannungsgeladene Stille herrschte. Die Vögel hatten aufgehört zu singen. Der See war dunkel wie ein Tintenklecks und glänzte geheimnisvoll.
    Ich dachte: Er wird nicht kommen. Fast gegen meinen Willen stieg Enttäuschung in mir auf. Doch vielleicht war es ja wegen des Ohrrings, den ich so dringend wiederhaben wollte.
    Sicher war es am besten, wenn ich umkehrte und nach Hause radelte, so schnell ich konnte. Vielleicht schaffte ich es noch vor dem Gewitter. Doch etwas in mir, das stärker war als meine Vorsicht und Vernunft, trieb mich dazu, den Pfad bis zu der Stelle weiterzufahren, wo ich gestern den Jungen, sein Pferd und seinen Hund getroffen hatte.
    Plötzlich fegte eine Windbö über den Wald, fuhr mit scharfem Geraschel durch das Schilf und bog die Halme tief nach unten. Zwei Mücken stachen mich in die Hände, ehe ich es verhindern konnte.
    Das Ufer lag verlassen im bläulich gelben Licht. Sie waren natürlich nicht gekommen. Es war dumm von mir gewesen, weitere fünf Minuten zu verlieren, statt mich sofort auf den Rückweg zu machen.
    Während ich wieder aufs Fahrrad stieg, lauschte ich noch immer und bildete mir ein, Geräusche zu hören, die der Wind mir von irgendwoher zutrug - ein schwaches Klipp-Klopp und ein kurzes, verwehtes Bellen. Dann erklang Donnergrollen. Es wurde rasch dunkler; Blitze zuckten über den Himmel. Jetzt war es zu spät, um noch rechtzeitig nach Hause zu kommen, das wusste ich.
    Ich stieg vom Rad. Zwischen den Bäumen tauchte Bonnie auf. Sie kam zu mir, sprang
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