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Pferdesommer mit Lara

Pferdesommer mit Lara

Titel: Pferdesommer mit Lara
Autoren: Ursula Isbel
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an mir hoch und tat, als wäre ich eine lang vermisste Freundin. Ich hielt mit der linken Hand die Lenkstange fest und streichelte sie mit der rechten.
    Eine Windbö wirbelte mir Haarsträhnen ins Gesicht, sodass ich für Sekunden nichts sehen konnte. Doch ich hörte den Hufschlag jetzt ganz deutlich, und als ich mir die Haare zurückstrich, sah ich sie kommen.
    Der Gewitterwind trieb das silbrige Mähnenhaar und den Schweif der Stute fast senkrecht in die Luft, als wäre sie Pegasus, das geflügelte Pferd aus der griechischen Sage. Sie näherte sich im Galopp; ich glaubte zu spüren, wie der weiche Moorboden unter ihren Hufen zitterte.
    Dicht vor mir machten sie halt. Der Junge blieb im Sattel sitzen, beugte sich vor und fragte hastig und atemlos:
    »Weißt du, wo wir uns unterstellen können? Eine Scheune wäre gut. Hier am See ist es zu gefährlich, in der Nähe des Wassers schlägt leicht der Blitz ein.«
    Der alte Heuschober am Rand des Feuchtgebiets fiel mir ein, in dem Ronja und ich vor Jahren eine Marderfamilie entdeckt hatten. Ich nickte und stieg aufs Fahrrad.
    »Reite hinter mir her!«, rief ich über die Schulter. »Vielleicht schaffen wir’s noch rechtzeitig!«
    Der Wind kam jetzt von Westen und war gegen mich. Ich radelte geduckt, mit zusammengekniffenen Augen, weil jede Menge Blätter, Zweige und Rindenstücke durch die Luft wirbelten. Bonnie rannte neben mir her, als wäre alles nur ein wunderbares, aufregendes Spiel.
    Es war ein seltsames Gefühl, die Stute hinter mir zu wissen, ein mächtiges Wesen, dessen Tritte den Boden erschütterten. Jetzt zuckten überall Blitze auf und knallende Schläge folgten. Noch hatte uns das Gewitter nicht erreicht, noch gab es kurze Pausen zwischen den Blitzen und dem Donner.
    Während ich strampelte und gegen den Wind kämpfte, versuchte ich, mich zu erinnern, welche Abzweigung die beste war, um auf schnellstem Weg zum Heuschober zu kommen. Wir mussten noch ein Waldstück durchqueren. Dann kam ein Pfad zwischen Moorwiesen, der in ein Birkengehölz mündete.
    Das Gerumpel wurde von Minute zu Minute dramatischer. Einen Moment lang schoss mir der Gedanke durch den Kopf, das Pferd könnte plötzlich in Panik geraten und durchgehen. Womöglich hatte der Junge es irgendwann nicht mehr im Griff und es stürmte los und überrannte mich.
    Rasch sah ich mich um und merkte, dass Pferd und Reiter näher kamen und mich einholten. Der Junge hielt die Stute am kurzen Zügel. Jetzt ritten sie neben mir, in einigem Abstand, aber auf gleicher Höhe. Zwischen uns lief Bonnie.
    Noch immer kam kein einziger Tropfen vom Himmel, der wie ein schwerer dunkler Baldachin über uns hing. Ein unheimliches Pfeifen und Sausen ging durch die Luft. Es klang, als wäre ein Heer wilder Geister unterwegs.
    Der Pfad durchs Moor war zum Glück trocken, sonst wäre ich sicher mit dem Rad stecken geblieben. Büsche, Bäume und die hohen Sumpfgräser bogen sich in irrem Tanz. Ein gewaltiger greller Blitz zuckte über den Baumwipfeln des nahen Waldes auf. Ein ohrenbetäubendes Krachen folgte.
    Die Stute riss den Kopf hoch, wieherte angstvoll und begann zu steigen. Aus den Augenwinkeln sah ich, wie der Junge kämpfte, um im Sattel zu bleiben. Für einige Sekunden stand sie auf den Hinterbeinen. Im gespenstisch bläulichen Licht sahen sie wunderbar aus, unwirklich wie in einer Szene aus einem Fantasyfilm - ein Pferd, das einen blonden Ritter auf seinem Rücken in die Schlacht trägt.
    Das schrille Gewieher ging im Krachen des Donners unter. Ich radelte jetzt wie ein Weltmeister über holpriges Gelände, Zweige und Steine zwischen den Birkenstämmen durch. Schon prasselten die ersten schweren Tropfen wie Wurfgeschosse auf mich nieder.
    Im Schutz des Birkenwäldchens stand der alte Holzschuppen, kaum mehr als eine krumme Bretterbude, mit grauen Schindeln bedeckt. Eine Hälfte des Tores hing schief in den Angeln. Ich bremste scharf, ließ das Fahrrad fallen und war mit ein paar Sätzen im Innern der Hütte. Bonnie war an meiner Seite, raste um mich herum und schüttelte sich heftig.
    Im nächsten Moment führte der Junge die Stute herein.
    »Das war knapp!«, sagte er.
    Sein Gesicht glänzte vor Nässe, seine Haare klebten an der Stirn und den Schläfen. Er knotete die Zügel seines Pferdes zusammen, lockerte den Sattelgurt und klopfte Fees Hals, um sie zu beruhigen. Die Stute schnaubte und wich zur Bretterwand zurück. Ich konnte das Weiße in ihren Augen sehen.
    Ein weiterer Donnerschlag erschütterte die
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