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Pferdesommer mit Lara

Pferdesommer mit Lara

Titel: Pferdesommer mit Lara
Autoren: Ursula Isbel
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danke«, sagte ich. »Kein Bedarf.«
    Sie wechselten einen Blick. Mama unterdrückte einen Seufzer.
    »Weiß man schon etwas über diese Leute?«, fragte mein Vater hastig.
    »Es ist ein Mann, der Theisen heißt, mit seinem Sohn und seiner Tochter. Eine Mutter scheint es in dieser Familie nicht zu geben.«
    »Vielleicht sind sie geschieden.«
    Ob ich wollte oder nicht, ich stieß immer wieder auf die neuen Besitzer von Eulenbrook. Mama beobachtete mich.
    »Rikke, du isst ja wieder nichts!«, sagte sie. »Und wie du aussiehst! Wie ist das eigentlich passiert, dass du vom Rad gestürzt bist?«
    Ich sagte, ich hätte nicht aufgepasst und wäre im Wald über eine Wurzel gefahren.
    »Du solltest nicht so allein durch die Gegend radeln. Hast du die Wunden desinfiziert?«
    Ich nickte. Sie fragte nach Isabell.
    »Isabell fliegt morgen nach Mallorca«, sagte ich, erzählte aber nicht, dass wir schon seit einigen Monaten einfach nichts mehr miteinander anfangen konnten. Früher waren wir mit Isabell befreundet gewesen, Ronja und ich, doch sie hatte sich verändert. Ich fand sie oberflächlich und schrill. Umgekehrt hielt sie mich wahrscheinlich für einen schnarchlangweiligen Trauerkloß. Damit war sie nicht die Einzige in unserer Schule.
    »Ich weiß einfach nicht mehr, was ich noch kochen soll!«
    Meine Mutter sah so verzweifelt aus, dass sie mir leidtat. Um ihr einen Gefallen zu tun, würgte ich zwei Fischstäbchen hinunter und kaute ein paar Salatblätter. Später hatte ich Magenschmerzen und hätte mich am liebsten übergeben, um die Fischstäbchen wieder loszuwerden.
    Jetzt wo ich nicht mehr nach Eulenbrook konnte, wusste ich nicht, wohin, so als gäbe es für mich keinen anderen Ort auf der Welt. Unser eigener Garten war winzig und aufgeräumt, mit ein paar künstlich wirkenden Nadelbäumen im Miniaturformat und einer rechteckigen Rasenfläche - pflegeleicht, wie meine Eltern sagten.
    Ins Schwimmbad mochte ich nicht. Da saßen sie alle in Cliquen beisammen, rauchten und machten hämische Bemerkungen über jeden, der nicht dazugehörte. Es war wie Spießrutenlaufen, im Badeanzug zum Becken zu gehen.
    »Sie denkt, sie ist schön, wenn sie ihr klapperndes Gebein durch die Gegend schiebt.« Das hörte ich besonders oft von den Mädchen. Sie begriffen nichts, wussten nicht, dass es mir nicht darum ging, besonders schlank zu sein, dass ich seit der Sache mit Ronja einfach keinen Appetit mehr hatte und mich zu jedem Bissen, den ich schlucken sollte, zwingen musste.
    Ungefähr eine halbe Fahrradstunde vom Städtchen entfernt gab es einen kleinen See, aber auch der war im Sommer total überlaufen. Ich wünschte, wir wären in Urlaub gefahren. Aber meine Eltern hatten einen Fotoladen und wollten sich das Geschäft mit den Touristen, die jetzt in unser altes Städtchen kamen, nicht entgehen lassen.
    In der folgenden Woche unternahm ich lange Radtouren über die Hügel und durch die Felder. Dabei musste ich immer an dem Waldstück vorbei, hinter dem Eulenbrook verborgen lag.
    Einmal sah ich den schwarzen Wagen aus der Zufahrt kommen, machte rasch einen Schlenker und fuhr über die Böschung zwischen die Büsche. Dort blieb ich stehen und wartete, bis sie verschwunden waren.
    Inzwischen glaube ich daran, dass das Schicksal bestimmte Begegnungen für uns vorgesehen hat und dass wir ihnen nicht ausweichen können, ganz gleich, was wir auch tun. So war es mit mir und Arne Theisen.
    Einige Tage später, an einem ungewöhnlich heißen Julimorgen, machte ich mich mit dem Rad auf den Weg zum Waldsee. Der frühe Morgen war die einzige Tageszeit, zu der ich den See, der eigentlich mehr ein Weiher war, für mich hatte und ein paar Runden in Ruhe schwimmen konnte.
    Es war noch nicht einmal sieben Uhr, als ich über den Kiesweg radelte und das Ufer mit dem dichten Schilfgürtel erreichte. Teichrohrsänger flöteten leise irgendwo in den Binsen und eine türkisfarbene Libelle düste im Zickzackflug vor mir her.
    Die Morgensonne lag mit sanftem Schimmer auf der Wasseroberfläche, in der sich die Tannen und der Himmel schwarz und golden spiegelten. Sofort umkreisten mich die ersten Mücken mit raubgierigem Sirren.
    Noch während ich aus meiner Jeans schlüpfte, hörte ich gedämpftes Hufgetrappel aus der Ferne. Obwohl ich meinen Bikini bereits anhatte, zog ich die Jeans wieder hoch. Keiner sollte meine erbärmlich dünnen Oberschenkel sehen, die spitzen Knie und die schaufelartigen Hüftknochen.
    Schon tauchte ein sahnefarbener Pferdekopf mit
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