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Pfad der Seelen

Pfad der Seelen

Titel: Pfad der Seelen
Autoren: Anna Kendall
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überlassen, Silberstücke und ein Goldstück. Ich verstand nicht, warum Mutter Chilton mir half. Sie war für mich genauso ein Rätsel wie die Königin, und wie die Königin spielte sie ihre eigenen geheimen Spiele. Aber es gab kein Essen, weil es niemanden gab, von dem man es hätte kaufen können. Die Dorfbewohner waren gemeinsam mit dem Großteil der Dienerschaft aus der Hauptstadt geflohen, nachdem die blauen Soldaten ein zweites Mal gestorben waren. »Hexenkunst!«, riefen die Leute. »Zauberei! Lauft! Lauft! Rettet Euch!«
    Aber es gab nichts, wovor sie sich hätten retten können. Keine weitere Hexerei, keine Kämpfe mehr. Die Reste von Lord Roberts Lumpenarmee und das, was von den Grünen der Königin übrig war, waren Soldaten, keine Hexen, und sie kämpften auch nicht. Und auch sie mussten essen. Einer nach dem anderen kehrten die Ladenbesitzer in die Stadt zurück, stellten fest, dass es sicher war, und erzählten es anderen, die ebenfalls zurückkamen.
    Lord Robert war so vernünftig, den verbrannten Körper der Königin in aller Stille fortzubringen und zu begraben. Nur wenige wussten, wo die » Hexenkönigin« lag.
    Er krönte Prinzessin Stephanie, die klein und ängstlich unter den vielfarbigen Edelsteinen der Krone von Gloria wirkte. Lord Robert würde als Regent herrschen, bis die Prinzessin ihre Reife erlangte.
    Als ich wieder reisen konnte, verließen Maggie und ich die Stadt. Ich war als Bauer verkleidet, der zu viel getrunken hatte, aber ich war so dünn und krank, mit einem so borstigen, ungepflegten Bart, der ganz plötzlich an der Stelle meines vorherigen leichten Flaums gesprossen war, dass vielleicht auch gar keine Verkleidung nötig gewesen wäre. Ich wirkte nun älter als meine fünfzehn Jahre. Außerdem suchte niemand nach mir. Die Gerüchte besagten, dass ich, der die Armee der Blauen von den Toten zurückgebracht hatte, zusammen mit diesen verschwunden war. Es ist möglich, dass Mutter Chilton etwas mit derlei Gerüchten zu tun hatte. Oder vielleicht auch nicht.
    Das Letzte, was ich sah, als ich mich auf dem Rücken unseres Esels zu einem letzten Blick umdrehte, war der einsame Turm des Palastes, der sich in den Nebel erhob. Das violette Banner von Prinzessin Stephanie wehte einsam und fern vor einem nebligen, grauen Himmel.
    Wir leben nun in einem Dorf namens Applebridge. Es liegt weit oben am Fluss westlich der Hauptstadt, schon jenseits der Stelle, an der das flache Tal zum Hügelland ansteigt, und beinahe so weit draußen, dass aus den Hügeln schon Berge werden. Irgendwo hinter diesen Bergen liegt das Reich von Lord Soleks wildem Volk. Der Fluss Thymar ist hier flach und strömt schnell; Barken und Fähren können diese wilden Wasser nicht befahren. Es gibt eine alte Steinbrücke, die das Westufer mit dem Ostufer verbindet, und daher kommen die örtlichen Bauern aus dem Umkreis nach Applebridge, das der Marktflecken der Gegend ist. Neben Äpfeln werden im Umkreis noch verschiedene Getreide und ein paar weitere Obstsorten angebaut, wodurch auch Kundschaft in das Schankhaus kommt, das Maggie und ich von Mutter Chiltons Geld gekauft hatten.
    Wir geben uns als Bruder und Schwester aus. Nach jenem einen süßen Nachmittag im Keller des Palastes, an dem wir beide verletzt waren, sind wir nicht mehr zusammen ins Bett gegangen. Ich weiß, dass Maggie es will. Aber sie ist zu stolz, um darum zu bitten, und ich habe sie in den Monaten, seit wir hier leben, nicht mehr angerührt. Wegen der Träume.
    Ich will nicht an die Träume denken.
    Das Schankhaus macht nicht viel her: ein grober Schankraum, eine Küche, ein Vorratsraum, in dem ich schlafe, und drei kleine Kammern oben, eine für Maggie und zwei für Übernachtungsgäste. Der Großteil unseres Geldes haben wir für den Kauf des Hauses ausgegeben, das trotz seiner Einfachheit gut und gemütlich ist. Mit den übrigen Münzen von Mutter Chilton haben wir einen ordentlichen Vorrat Bier gekauft, das Maggie zu den Mahlzeiten serviert, die sie kocht. Sie ist eine hervorragende Köchin, eine hart arbeitende Geschäfspartnerin, eine sparsame Verwalterin. Wenn sie mich mit verletztem Blick ansieht, schelte ich mich einen Narren, weil ich nicht annehme, was sie mir bietet, weil ich sie nicht heirate. Wenn die Nächte im Spätsommer mild und warm sind und sich auf Maggies vollen Brüsten und auf ihrer Stirn unter den federnden, hellen Locken winzige Tropfen Feuchtigkeit sammeln, dann schelte ich mich einen doppelten, dreifachen, vierfachen
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