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Pfad der Seelen

Pfad der Seelen

Titel: Pfad der Seelen
Autoren: Anna Kendall
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Narren.
    Aber da sind die Träume.
    Ich will nicht an die Träume denken.
    » Peter«, ruft Jee mit seiner hellen Kinderstimme. » Maggie sagt, dass du jetzt zum Essen kommen musst.«
    » Sag ihr, dass ich komme«, antworte ich, und Jee läuft fort. Ich hebe mit meiner gesunden Hand den Eimer hoch. Ich habe gelernt, mit einer Hand zu leben: das Haus in Schuss zu halten, Bier auszuschenken. Die Dorfkinder nennen mich » Peter Einhand«. Den offiziellen Namen, den ich jetzt benutze, habe ich zufällig ausgewählt: » Peter Forest«. Als Peter Einhand werfe ich dem Schwein, das wir vor Kurzem gekauft haben, sein Futter zu und sehe, wie es gierig hinter seinem Holzverschlag im Futterbrei nach mehr gräbt, als ob es in diesem Matsch etwas gäbe, das es noch nicht kennt.
    Mutter Chiltons verzweifelte Stimme erklingt in meinem Kopf: » Es ist nicht vorbei.«
    Und: » Du wirst deine Mutter suchen. Trotz allem, was ich dir sagen könnte.«
    Und früher, viel früher, beim ersten Mal, als ich sie getroffen habe: » Kommst du aus dem Seelenrankenmoor? Sind sie also bereit?«
    » Peter! Du musst kommen!« Wieder Jee, genauso unnachgiebig wie Maggie. Und genauso froh, hier zu sein – obwohl sie meinetwegen unglücklich ist – hier, in diesem hübschen kleinen Dorf, in dem es Frieden und genug zu essen gibt, und keine Überraschungen, die ein Leben in Trümmer schlagen. Eigentlich alles, was ich mir jemals gewünscht habe, als ich noch bei Hartah gelebt habe.
    Bereit wofür im Seelenrankenmoor?
    Ich begebe mich in die Schankstube und zu einer weiteren von Maggies hervorragenden Suppen. Nach dem Essen, am langen, langen Sommerabend, werde ich spazieren gehen. Viele, viele Meilen werde ich gehen, in dem Versuch, mich zu erschöpfen, damit ich in einen tiefen Schlaf sinke und nicht träume. Ich weiß bereits, dass es nicht funktionieren wird.
    Ein flaches Hochmoor mit einem runden Steinhaus. Der Geschmack von gebratenem Fleisch in meinem Mund, saftig und fettig. Das Seelenrankenmoor. In den Schatten jenseits des Fackellichts spüre ich Dinge, unsichtbare, unmenschliche Dinge – Dinge, die ich weder in diesem Land noch in jenem anderen jenseits des Grabes jemals zu Gesicht bekommen habe. Zwischen ihnen bewegt sich die Gestalt einer Frau, und die Stimme, die aus der Dunkelheit zu mir dringt, ist eine Frauenstimme, und ich kann das Glitzern einer mit Edelsteinen besetzten Krone sehen. » Roger. Hisaf.«
    » Aber du bist tot«, sage ich.
    » Seit neun Jahren«, sagt sie, und ihr Lachen lässt meine Knochen erbeben.
    Königin Caroline ist nicht seit neun Jahren tot. Sie ist erst seit drei Monaten tot, beinahe vier. Die einzige andere Person, von der ich weiß, dass sie neun Jahre tot ist, ist meine Mutter, und die war keine Königin.
    Nicht von irgendeinem Reich, das ich kenne.
    » Peter!«, ruft Maggie ungeduldig.
    Ich gehe zum Abendessen, in dem Wissen, dass ich heute Nacht wieder träumen werde, in dem Wissen, dass der Traum mich an sich reißen wird, in dem Wissen, dass Mutter Chilton recht hatte: Es ist nicht vorbei.
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