Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Perth

Perth

Titel: Perth
Autoren: Peter Martin
Vom Netzwerk:
einrollen konnte. In einer benachbarten Scheune hörten wir Hühner und Gänse. Auf den Wiesen in der Nähe waren Pferde und Kühe. Es hätte nicht besser sein können. Sie wurde geliebt, war sicher und gut auf der Farm untergebracht. Es war nicht mit Vermont vergleichbar, wo sie vor so vielen Jahren geflohen war. Das Einzige, was sie hier nicht hatte, war die völlige Freiheit zu kommen und zu gehen, wann sie wollte.

Kapitel 21

    E s hat keinen Sinn, über all die Monate zu klagen, die wir in Virginia ohne Perth verbrachten. Das Leben war voller neuer Erfahrungen, und die neun Monate vergingen wie im Flug. Andrew und Claire machten in diesem Jahr einen großen Entwicklungsschritt. Sie vergaßen Perth nicht, aber Amerika war für sie sehr spannend, vor allem Colonial Williamsburg, das Freilichtmuseum aus dem achtzehnten Jahrhundert, wo die frühe amerikanische Geschichte auf unterschiedlichste und faszinierende Weise lebendig wurde. Vor ihren Augen wurden Töpferwaren, Schuhe und Stiefel, Kerzen, Gartenwerkzeuge, Musikinstrumente und vieles mehr hergestellt. Das alles geschah in architektonisch authentischen Häusern und Geschäften. Den beiden Kindern, die in einem Cottage aufgewachsen waren, das etwa zu der Zeit gebaut worden war, als Christoph Kolumbus »Amerika« entdeckte, kamen diese Häuser gar nicht so uralt vor, aber sie waren begeistert von den Menschen, die Kleider aus dem achtzehnten Jahrhundert trugen, und dem Gefühl, aus dem zwanzigsten Jahrhundert herauskatapultiert worden zu sein. Es war wie im Märchen.
    Für mich war es genauso. Das College of William and Mary ist eine ehrwürdige Institution, die Zweitälteste Universität in Amerika. Das Wren-Gebäude , in dem ich unterrichtete, ist das älteste Universitätsgebäude des Landes. Mein Büro, eine separate »Küche« aus dem späten siebzehnten Jahrhundert, war das älteste Universitätsbüro in Nordamerika. Mit der Zeit gingen mir die Touristen etwas auf die Nerven, die ständig vorbeikamen, zum Fenster hineinschauten und mich fragten, wie alt das Gebäude war, ob George Washington jemals einen Fuß hineingesetzt oder ob Thomas Jefferson je dort geschlafen hatte. Aber es machte alles Spaß. Ich spielte in der Tennismannschaft der Fakultät, hielt Vorträge an Schulen in ganz Tidewater , Virginia, und nahm sogar an zwanzig Kilometer langen Halbmarathonläufen teil. Der amerikanische Lebensstil entsprach mir zwar immer noch nicht, wie ich nach meiner zehnjährigen Abwesenheit feststellte, aber er hatte auch seine guten Seiten.
    Trotzdem sehnten wir uns nach Perth. Während sich all dies fünftausend Kilometer entfernt ereignete, war sie Barbara zufolge nach wie vor bei bester Gesundheit und schien ihre Zeit in der Hollow Farm Hundepension zu genießen. Barbara achtete darauf, dass sie genug zu fressen und viel Bewegung hatte. Sie hatte ein gutes Händchen für Perth und kam bestens mit ihren Launen und ihrem Temperament zurecht. Perth liebte sie. Sie waren sich in vieler Hinsicht sehr ähnlich, zwei ältere Damen mit klaren Vorstellungen darüber, wie man das Leben leben sollte, die genau wussten, wen sie mochten und wen nicht, und überhaupt nicht zögerten, den Betreffenden das auch zu sagen. Perth verfolgte nach wie vor unbeirrbar ihre Ziele. Schon früh beanspruchte sie den fünften Auslauf am Ende des »Schlafsaals« für sich. Wenn Barbara einen neuen Hund zufällig dort unterbrachte, während Perth gerade im Hof war, bezog diese bei ihrer Rückkehr dickköpfig und ruhig vor dem Auslauf Position und weigerte sich so lange, sich von der Stelle zu bewegen, bis der Eindringling vertrieben worden war. Es bestand kein Zweifel, Barbara hatte sich in Perth verliebt.
    Als wir im Mai das Flugzeug bestiegen, um nach England zurückzukehren, musste ich an die schwierigen Zeiten viele Jahre zuvor denken, als wir Perth monatelang alleine lassen mussten, wenn wir Amerika verließen. Aber jetzt aus Amerika wegzufliegen bedeutete eine freudige Rückkehr zu ihr, nach unserer längsten Trennung in ihrem langen Leben. In ein paar Stunden würden wir wieder mit ihr im Appletree Cottage zusammen sein. Sie würde wieder frei sein, wiedergeboren in der grünen Wiege unseres adoptierten Landes. Sie war mittlerweile siebzehn, aber sicher konnte sie ihr früheres Leben wieder aufnehmen und es so weiterführen, wie sie es vor neun Monaten im Appletree Cottage getan hatte. Doch eigentlich war ich mir gar nicht so sicher. In welcher Verfassung war sie nun, nach der
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher