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Persilschein

Persilschein

Titel: Persilschein
Autoren: Jan Zweyer
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sich vor und gab seinem Gesprächspartner mit einer Fingerbewegung zu verstehen, dass auch er seinen Kopf senken sollte. Dann flüsterte Goldstein ihm ins Ohr: »Vielleicht kommen wir aber auch erst am Wochenende. Samstags soll es doch ziemlich voll bei Ihnen sein, habe ich gehört?«
    »Herr Kommissar«, bettelte der Hering. »Bitte!«
    »Oder jedes Wochenende. Wie würde Ihnen das gefallen?«
    »Ich kenne nur zwei von ihnen. Einer ist der Kaufmann Krönert.«
    »Und der andere? Nun machen Sie schon!«
    Die Stimme des Herings wurde noch leiser. »Baron von Hohenfeld.«
    Goldstein schluckte überrascht. »Sicher?«
    »Ich kenne doch meine Stammgäste.«
    »Wann war Uwe das letzte Mal hier?«
    »Warten Sie, vor drei, nein, zwei Wochen.«
    »Alleine?«
    »Nein.«
    »Also mit seinen Freunden?«
    Der Kneipier nickte. »Sie werden doch nicht erzählen, wer …«
    Goldstein lächelte beruhigend. »Machen Sie sich keine Sorgen.«
    »Und die Razzia?«
    »Wer hat hier von Razzia gesprochen?«, grinste der Kommissar. »Die Rede war von einem geselligen Abend unter Kollegen. Aber ich sehe schon, wir sind hier nicht willkommen. Vielleicht ein anderes Mal.« Er machte sich auf den Weg zum Ausgang. Bevor er das Lokal verließ, drehte er sich um und rief vernehmlich: »Ihnen allen noch einen schönen Tag!«
    Der Hering wischte sich den Angstschweiß von der Stirn.
    Auf der Straße zündete sich Goldstein eine Zigarette an. Der Baron von Hohenfeld, alias Hoffmann, alias Brillanten-Bos, mit bürgerlichem Namen Johann Bos, war im Ruhrgebiet kein Unbekannter. Die Nazis hatten Bos nach einigen kleineren Delikten als Gewohnheitsverbrecher für vier Jahre in ein KZ gesteckt. Nach dem Krieg hatte er Frauen, deren Männer von den Briten wegen des Verdachts auf Naziverbrechen interniert waren, aufgesucht. Er versprach ihnen, ihre Gatten freizubekommen, indem er die Kommandanten der Internierungslager bestach. Dazu benötigte er lediglich die finanziellen Mittel. Und die Frauen wollten glauben. Sie gaben ihm Geld, Schmuck, Fotoapparate. Kurz nachdem Bos in den Besitz der Wertsachen gekommen war, wurde ihm angeblich der Wagen gestohlen und damit verschwanden auch die Preziosen. Der selbst ernannte Baron wurde mehrmals verhaftet. Stets erklärte er, aus Hass auf die Nazis gehandelt zu haben, konnte sich so immer wieder herauswinden. Insgesamt sieben Mal. Von Bestechung war die Rede, und von vertraulichen Verbindungen zur Polizei. Hinter vorgehaltener Hand tuschelten Kollegen, dass Bos angeblich einen Dienstausweis der Polizei besaß und manchmal sogar mit einem Polizeiwagen zu seinen Fischzügen aufbrach. Außerdem soll es nicht bei Betrug geblieben sein. Von Einbrüchen erzählte man sich in Polizeikreisen, bei denen Krönert als Chauffeur diene und Schmiere stehen würde.
    Genau dieser Baron von Hohenfeld organisierte mittlerweile seine Geschäfte von Herne aus. Sein »Büro« unterhielt er im Central Café auf der Bahnhofstraße.
    Goldstein trat die Zigarette aus und machte sich auf den Weg dorthin.
    Das Kaffeehaus erstreckte sich über zwei Etagen des Jugendstilgebäudes. Im Erdgeschoss lag der Schankraum, darüber der Tanzsaal mit der kleinen Bühne und den angrenzenden Separees. In der Nachkriegszeit diente das Central zunächst als Offizierskasino der britischen Armee, später als bekannter Treffpunkt für Schwarzmarkthändler und Schieber. Razzien der Militärpolizei waren an der Tagesordnung. Das Central Café war der geeignete Ort für Heiratsanträge, runde Geburtstage oder erfolgreiche Geschäftsabschlüsse und galt als eine der besten Adressen Hernes. Entsprechend waren die Preise. Jeder Gast musste Wein bestellen, weswegen sich Herner Bürger ohne dicken Geldbeutel einen Besuch dort nur selten leisten konnten. So wie die Goldsteins.
    Auf dem Weg überlegte der Kommissar, wann er seine Frau Lisbeth zum letzten Mal dorthin ausgeführt hatte. Kurz nach der Währungsreform vor knapp zwei Jahren musste das gewesen sein. Von einem der ersten Gehälter in Deutscher Mark. Lange her.
    Der Kellner hinter der Theke wies Goldstein, nachdem dieser seine Polizeimarke präsentiert und sich nach Bos erkundigt hatte, den Weg zu einem der Räume im Obergeschoss.
    Goldstein stieg die Treppe hinauf und öffnete die Tür, ohne anzuklopfen. Der Raum lag im Halbdunkel, da die Vorhänge zugezogen waren. Nur eine kleine Lampe über dem Tisch in der Mitte spendete spärliches Licht. An einer Wand stand ein rotes, plüschiges Sofa, darüber hing ein
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