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Persilschein

Persilschein

Titel: Persilschein
Autoren: Jan Zweyer
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Achtzigjährige, die, wie sie Goldstein ungefragt mitteilte, halb blind war.
    »Der Herr Schmidt. Ein feiner Mann, Herr Kommissar«, erklärte sie, nachdem sich Goldstein nach ihrem Untermieter erkundigt hatte. »Ich habe ihn schon seit bestimmt einer Woche nicht mehr gesehen oder gehört.«
    »Aber er wohnt in Ihrer Wohnung zur Untermiete?«
    »Bei mir?« Die alte Frau schüttelte den Kopf. »Nein.«
    Goldstein fluchte innerlich. »Sie haben mir doch eben bestätigt, dass er Ihr Untermieter ist.« Der Kommissar hatte es vorgezogen, die Ermordung Schmidts zu verschweigen und lediglich von einer Vermisstenanzeige, der er nachginge, zu sprechen.
    »Ja, das stimmt auch. Aber er wohnt nicht in meiner Wohnung«, bekräftigte sie mit Bestimmtheit. »Wissen Sie, ich habe noch eine Dachkammer. Mein verstorbener Mann hat sie manchmal benutzt, wenn er in Ruhe seine Briefmarken sortieren wollte. Da konnte er sie auch liegen lassen. Einmal hat er seine Sammlung nämlich auf dem Wohnzimmertisch ausgebreitet, ich habe die Tür aufgemacht, es ist Durchzug entstanden …« Sie kicherte. »Die ganzen dummen Briefmarken sind durch das geöffnete Fenster geflogen. Danach …«
    »Eine Mansarde also?«
    »Ja. Sie hat zwar kein Bad, aber ein Waschbecken. Die Toilette ist eine halbe Treppe …«
    »Könnte ich mir das Zimmer ansehen?«
    »Natürlich.« Sie nahm erschreckt die Hand vor den Mund. »Meinen Sie, dass er … Dass er da drin liegt?«
    »Nein, ganz bestimmt nicht. Ich möchte mich nur einmal umsehen. Haben Sie einen Schlüssel?«
    »Natürlich. Warten Sie.« Die Alte schlurfte zurück in den Flur. Wenig später drückte sie Goldstein den Schlüssel in die Hand. »Ich muss doch nicht mitkommen, oder? Das Treppensteigen fällt mir immer schwerer.«
    »Nein, ist nicht nötig.«
    Die Einbruchsspuren an der Mansardentür waren nicht zu übersehen. Hier hatte sich jemand mit brachialer Gewalt Einlass verschafft.
    Goldstein drückte die Tür auf und betrat einen winzigen Flur, an dessen gegenüberliegender Seite sich eine weitere Tür befand. Sie stand halb offen.
    Das Zimmer dahinter sah aus wie nach einem Bombenangriff. Kleidungsstücke, die sich offensichtlich im Schrank befunden hatten, lagen auf dem Boden verteilt. Die Schubladen eines Vertikos waren herausgezogen und deren Inhalt ausgekippt worden. Die hochgerollte Matratze des Bettes war mit Federn bedeckt, die aus dem zerschnittenen Oberbett quollen. Bei jedem Luftzug wirbelten sie auf. Nichts in diesem Raum war mehr an seinem Platz.
    Zu Goldsteins Überraschung fand sich unübersehbar auf einem kleinen Tisch unter dem Fenster eine teuer aussehende Uhr. Diese Einbrecher schienen es nicht auf Wertsachen abgesehen zu haben. Aber hatten sie das gefunden, wonach sie suchten?
    Goldstein schob mit dem linken Fuß einen Stapel Unterwäsche beiseite. Ein zusammengeknüllter Zettel war etwas unter den Schrank gerutscht. Er bückte sich und hob ihn auf. Auf dem Papier klebten Buchstaben, die anscheinend aus einer Zeitung ausgeschnitten worden waren.

    Geld gegen Schweigen. Denk an
    Eine Erpressung? Aber warum war der Text unvollständig? Stammte er von Schmidt? Was hatten die letzten zwei Worte zu bedeuten?
    Nachdenklich faltete Goldstein das Blatt zusammen und steckte es ein. Um den Rest würde sich die Spurensicherung kümmern.
    7
     
    Dienstag, 26. September 1950
     
    Peter Goldstein hatte die halbe Nacht wachgelegen. Dass Bos ausgerechnet Schönberger als Zeugen benannt hatte, ließ ihm keine Ruhe. Entsprechend unausgeschlafen saß er an seinem Schreibtisch und sortierte seine Gedanken. Dann hatte er eine Entscheidung getroffen. Er griff zum Telefon und bat Schönberger zu sich.
    »Setz dich«, sagte er, nachdem sein Kollege das Büro betreten hatte. »Ich muss mit dir reden.«
    »Worüber?« Schönberger zog einen der Stühle zu sich hin.
    »Ich war gestern im Central Café .«
    »Und?«
    »Es geht um einen Johann Bos.«
    »Ach, daher weht der Wind.« Schönberger lehnte sich zurück.
    »Bos hat mir erzählt, dass du mit ihm und seinen Freunden an dem Abend zusammen warst, als Schmidt ermordet wurde.«
    »Wer?«
    »Entschuldigung, das kannst du ja nicht wissen. Der Tote, den wir am Freitag gefunden haben, heißt Uwe Schmidt. Bos hat ihn anhand des Fotos der Spurensicherung identifiziert.«
    »Wie bist du auf Bos gekommen?«
    »Der Barmann aus der Ritze hat mir den Tipp gegeben. Als ich Bos nach seinem Alibi fragte, meinte er, du wärest sein Alibi. Stimmt das?«
    »Ich habe mit
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