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Perry Rhodan Neo 022 – Zisternen der Zeit

Perry Rhodan Neo 022 – Zisternen der Zeit

Titel: Perry Rhodan Neo 022 – Zisternen der Zeit
Autoren: Wim Vandemaan
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Manchmal hatte seine Mutter mit der Mutter seines Vaters televidiert. Während sie sprachen, strich Garreans Mutter gedankenverloren über ihren kupferfarbenen Zopf, der ihr bis zur Hüfte reichte.
    Sie sprachen über allerlei, nur nie über Garreans Vater.
    Als würde mit dem ersten Wort, das eine von beiden über ihn sprach, der Bann brechen, der ihn am Leben hielt dort draußen, auf den Schlachtfeldern im Orbit von Rofus oder Reyan.
    Wenn seine Mutter sein Zimmer verlassen hatte, lag er immer noch eine Weile wach und sann über ihre Geschichten nach. Er hörte die Chaklan in den Tiefen ihres Hauses die Litanei des Götzenbeieinanders psalmodieren; manche Verse konnte er schon mitsingen.
    Eines Tages, er war noch immer sehr jung, war die Stille in ihr Haus über dem See eingezogen wie ein giftiger Nebel. Es war die Stunde, in der die Chaklan hätte singen sollen, aber sie sang nicht. Leise, leise, um die Bestie der Stille nicht zu reizen, war Garrean in das Zimmer seiner Eltern geschlichen. Er hatte seine Mutter gesehen; sie hatte allein an der Bettkante gesessen, steinern wie erstarrte Lava. Den schönen Zopf hatte sie abgeschnitten und auf den Boden geworfen. Dort lag er wie ein totes Tier.
    Garrean war in der Tür stehen geblieben. Durch das Fenster hatte er den See gesehen, seinen blendend weißen Spiegel. Seine Mutter hatte ihn nicht angeblickt, aber sie hatte seine Anwesenheit bemerkt. »Yrapad«, hatte sie gesagt, »dein Vater. Er ist in die tiefste der bodenlosen Zisternen getaucht.«
    Kalt, kalt war ihm geworden. Zugleich so heiß wie Nacktheit im Zenit des Sommers.
    »Er ist tot«, hatte seine Mutter übersetzt, als hätte er noch immer nicht begriffen.
    Garrean hatte sich umgedreht, zornig, und war in sein Zimmer gelaufen. Er hatte sich auf den Boden gelegt und gedacht: Vater ist nicht tot. Wie soll man tot sein, wenn man in die Zisterne der Zeit taucht. Man kann ihn nur nicht mehr sehen, seine ruhigen Augen, seine großen, großen Hände. Das ist alles. Aber wenn am Fernsten Tag die Wega im Zenit über der Zisterne steht, dann werde ich ihn wiedersehen. Dann wird er auftauchen. Dem Licht der Wega kann nichts widerstehen.
     
    So weit außerhalb des Planeten hatte die Sonne alles Vertraute eingebüßt. Wie ein Geheimnis, in das niemand eingeweiht war, lag ihr Glanz im All. Das Knistern und Knacken im Lautsprecher verstärkte sich. Garrean hörte über Funk ein geplagtes Atmen, dann die Stimme seines Sekretärs. Shim sagte: »Mir wird heiß.«
    »Hm«, machte Garrean.
    »Elend heiß sogar.«
    »Was macht denn die Kühlung deines Raumanzugs?«
    »Sie kühlt«, sagte Shim. »Sonst wäre ich längst gekocht. Das Problem: Sie kühlt bei Weitem nicht genug.«
    Garrean spürte am eigenen Leib, dass sein Sekretär recht hatte. Die Kühlsysteme waren längst überfordert. Die unteren Schichten des Anzugs, die auf der Haut auflagen, wurden von einem ausgeklügelten Geflecht winziger Kanäle durchzogen, in denen eisgekühltes Wasser zirkulierte. Garrean meinte zu spüren, wie das Wasser im Lamellensystem förmlich pulsierte, wie auch die Klimaanlage tat, was sie konnte, um zu verhindern, dass das Wasser aufbrodelte und verdampfte. Und wie das Kühlaggregat im Begriff war, den Kampf gegen die elektromagnetischen Fluten der Wega zu verlieren.
    »Ich war dagegen, das Shuttle zu verlassen«, erinnerte ihn Shim. »Ich war ganz und gar dagegen.«
    »Hm«, machte Garrean wieder. »Geschehen ist geschehen.«
    »Falsch ist falsch«, ergänzte Shim. »Tot ist tot.«
    »Warum bist du dann mitgekommen?«
    »Ja, warum bin ich mitgekommen? Weil Sie es mir befohlen haben?«
    »Befohlen«, echote Garrean skeptisch. »Warum folgst du meiner freundlichen Empfehlung, mich nach draußen zu begleiten, wenn du Angst davor hast?«
    Die Wega erfüllte den Raum, eine unerschöpfliche, immerwährende, lautlose Lichtexplosion, die jeder kreatürlichen Angst einen guten Grund gab.
    »Weil ich vor Ihnen noch mehr Angst habe«, bekannte Shim.
    Garrean lachte lautlos. Für einen Moment war nichts zu hören als das an- und abschwellende Knistern und Knacken im Lautsprecher. »Du bist eben ein Feigling«, stellte Garrean ohne jeden Vorwurf fest. Das Visier seines Helmes war derart abgedunkelt, dass er nichts außer der Wega selbst sehen konnte – keinen Planeten, nicht einmal Ambur selbst.
    Geschweige denn die Umrisse von Shim.
    Garrean und Shim hatten das Shuttle vor etwa drei Minuten verlassen. Es konnte nicht mehr lange dauern, bis Ambur sich
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