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Perlentöchter

Perlentöchter

Titel: Perlentöchter
Autoren: J Corry
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während sie sich widerwillig von dem Pianoforte erhob und auf dem Stuhl neben der Besucherin Platz nahm, wie es das Protokoll diktierte. Mama weiß es. Ich habe es ihr bereits erzählt. Nur weil sie nicht antworten kann, heißt das nicht, dass sie nicht verstanden hat. Erst gestern haben mir Mamas Augen sehr deutlich gesagt, dass ein Kind zu bekommen eine der schönsten Erfahrungen gewesen sei, die sie auf dieser Welt jemals machen durfte, und dass es nicht wehtun werde. Nicht das kleinste bisschen.
    »Gerade Sie, bei Ihrem schwachen Nervenkostüm!« Mrs Gillingham tätschelte ihr leicht die Hand. »Aber haben Sie keine Angst. Ich werde Sie in bestimmten Dingen beraten können, und Ihr lieber Gatte ist ja schließlich Arzt.« Wieder ein leichtes Tätscheln. »Nicht, dass Sie ihn für alles konsultieren könnten. Schließlich gibt es gewisse delikate Themen, die eine Frau nie mit ihrem Mann besprechen sollte. Nun, meine Liebe, gibt es etwas, das Sie mich gerne fragen würden?«
    Louisa dachte an das, was sich in ihrem Leben verändert hatte. Die unangenehme Morgenübelkeit nach dem Aufwachen. Die unglückliche Art, wie ihr Mageninhalt sich in den Porzellantopf entleerte, der unter dem Bett bereit stand. Ihre anschwellenden Brüste, die bei jeder Bewegung schmerzten. Und die plötzliche Abscheu, die sie vor ihrem Gemahl empfand, wenn er abends zu ihr ins Bett stieg, ein Gefühl, das er wohl wahrnahm, da er sich angewöhnt hatte, das kleinere Schlafzimmer am anderen Ende des Flurs zu benutzen.
    »Ich denke nicht, danke«, antwortete sie und faltete sorgfältig die Hände im Schoß, damit Mrs Gillingham nicht die violetten Farbspritzer entdeckte, die ihre Haut zierten.
    »Sind Sie sicher?« Die ältere Frau zog enttäuscht die Augenbrauen hoch.
    Louisa antwortete mit einem leichten Nicken.
    »Ich verstehe.« Ein frostiger Unterton hatte sich nun in das amerikanische Näseln geschlichen. »In diesem Fall möchte ich auf eine Neuigkeit zu sprechen kommen, von der ich hoffe, dass Sie Ihnen Freude bereiten wird. Ihre liebe Freundin Aveline wird heiraten!«
    Liebe Freundin! Louisa hatte Aveline nie wirklich in dieser Kategorie verortet. Sie gehörte ohnehin nicht zu der Sorte Mädchen, die enge Freundschaften pflegte, zum Teil aus Mangel an Gelegenheit. Eine invalide Mutter und ein Künstlervater waren nicht unbedingt der ideale familiäre Hintergrund, um andere anzuziehen, wie Louisa nicht ohne Ironie oft gedacht hatte. Folglich fiel es ihr nun schwer, Begeisterung für Avelines bevorstehende Trauung aufzubringen, und sie musste sich zwingen, freundlich zu klingen. »Ich nehme an, sie heiratet Sir Thomas?«
    Mrs Gillingham senkte den Kopf in gnädiger Bestätigung. Louisa war nicht überrascht. Aveline hatte es seit einigen Monaten auf den armen Mann abgesehen, nachdem sie ihn vor mindestens zwei Jahren wegen seines albernen Geschwätzes als möglichen Bewerber abgelehnt hatte. Zweifelsohne machte sein Titel in den Augen von Avelines Mutter seine Schwatzhaftigkeit hinnehmbar. »Bitte übermitteln Sie ihr meine Glückwünsche.« Sie lächelte ihre Besucherin so herzlich wie möglich an. »Unterdessen bitte ich Sie, es nicht übel aufzufassen, aber ich fühle mich sehr erschöpft.«
    Mrs Gillingham erhob sich. Sie war sehr groß, wie Louisa auffiel. Größer, als ihr bewusst gewesen war, aber vielleicht lag das an den zierlichen schwarzen Schnürstiefeln aus Leder, die unter der Seide ihres Rockes hervorblitzten. Zweifellos eine weitere amerikanische Affektiertheit.
    »Aber natürlich, mein liebes Kind.« Sie gab Louisa die Hand, und der Geruch von Lavendelwasser war so überwältigend, dass Louisa sich gerade noch beherrschen konnte, um nicht einen Schritt zurückzutaumeln. »Lassen Sie es mich jedoch unbedingt wissen, wenn es etwas gibt, was die liebe Aveline und ich für Sie tun können.«
    Louisa wartete ungeduldig auf das Klacken der Vordertür, das Zeichen, dass das Dienstpersonal Mrs Gillingham sicher hinausgeleitet hatte. Dann kehrte sie leise an das Pianoforte zurück und klappte den Hocker auf, der vor dem Instrument stand. Dem Himmel sei Dank! Das Bild, das sie gerade noch rechtzeitig hatte verschwinden lassen, bevor ihre Besucherin eintrat, war unbeschädigt, obwohl die Farbe noch feucht war. Sie hielt es auf Armeslänge von sich, um es sorgfältig zu überprüfen, und rief sich vor ihrem geistigen Auge die Silhouette des Kastanienbaums vor Mamas Fenster in Erinnerung, dessen Stamm rötlich-violette Streifen hatte
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