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Perlentöchter

Perlentöchter

Titel: Perlentöchter
Autoren: J Corry
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Von all ihren Freundinnen war sie die Einzige, die sich nicht beschwerte über den Umstand, dass ihr Mann an so was nicht mehr interessiert war oder dass sie keine Zeit dafür hatten.
    Allerdings wusste sie nicht genau, woher sie die Zeit dafür nahmen. Ihr Leben, wie das vieler moderner Paare, war verrückt. Aufstehen um sechs Uhr und in die Zeitungsredaktion fahren (er), die Kinder für die Schule fertig machen (sie), bevor sie später ihr Atelier im hinteren Teil des Gartens aufsuchte. Heute fiel das Atelier aus, was vielleicht ein Grund für ihre leicht gereizte Stimmung war. Sie ertrug es nicht, wenn sie nicht zum Pinsel greifen konnte. Was die Kinder betraf: Dem Himmel sei Dank für die diversen Freunde, die freundlicherweise den Fahrdienst getauscht hatten, damit Simon und sie zu der dreistündigen Autobahnfahrt
nach Somerset aufbrechen konnten – das kleine, kopfsteingepflasterte Dorf, das von violetten Blaukissen und wildem Geißblatt überquoll und in dem Großtante Phoebe die letzten sechzig Jahre gelebt hatte.
    »Steig schon mal aus.« Simon hielt neben einem grünen Range Rover mit schlammbespritzten Türen und einem schwarzen Labrador, der traurig herausblickte. Sicher gehörte der Hund einem der gut gekleideten Trauergäste, die mit einer Vielfalt an Hüten – inklusive eines gefiederten violetten Turbans – vorbeiströmten.
    Sie zögerte, weil sie nicht alleine gehen wollte.
    »Wenn du nicht aussteigst«, sagte Simon mit einer leisen Spur von Verärgerung in der Stimme, »kriegen wir keine Sitzplätze mehr. Außerdem hast du Grace versprochen, ihr einen Platz freizuhalten. Ich finde dich schon, sobald ich den Wagen geparkt habe.«
    »Und wenn nicht?« Caroline erschrak bei der nur allzu genauen Vorstellung, dass Simon mitten in die Trauerfeier hineinplatzte und sich die Augen dieser blaublütigen Somerset-Gummistiefelträger auf ihn richteten. Grace würde ihr dann bestimmt einen Rippenstoß verpassen und Simons Verspätung laut kommentieren, obwohl sie selbst gerade unpünktlich war. Und Caroline wollte es auch nicht ausschließen, dass Großtante Phoebe, die einzige Person, der es jemals gelungen war, Simon einzuschüchtern, sich plötzlich kerzengerade in ihrem Sarg aufrichtete, in der einen Hand eine Marlboro und in der anderen ein geschliffenes Whiskyglas, und zu erfahren verlangte, warum er nicht pünktlich zu ihrer Beerdigung erschien.
    »Mach schon.« Simon trommelte nun ungeduldig mit den Fingern auf das Lenkrad. »Los, geh.« Er warf einen Blick in den Rückspiegel. »Wir halten den Verkehr auf.«
    Es blieb ihr nichts anderes übrig. Sie schnappte sich ihre neue türkisfarbene Beuteltasche und hoffte, dass sie Kleingeld für die Kollekte hatte, während sie die langen Beine, die zu ihren besseren Merkmalen zählten neben ihrem kastanienbraunen Haar, das in weichen Locken knapp über ihre Schulter fiel (eine Haarfarbe, die sie anscheinend von ihrer Großmutter mütterlicherseits, Rose, geerbt hatte), aus Simons tiefer gelegtem Cabrio schwang und direkt in eine Pfütze trat. Schon zierten lauter Dreckspritzer ihre neue 15-den-Strumpfhose, die sie nur widerstrebend angezogen hatte, weil sie ein Kostüm statt ihrer üblichen Jeans trug. Der maßgeschneiderte Jerseyrock war ursprünglich, als sie ihn vor Jahren gekauft hatte, ein verführerisches schwarzes Stück gewesen. Nun saß er recht eng in der Taille, war sie doch die sechs Pfund Schwangerschaftsspeck nach den Zwillingen immer noch nicht losgeworden. Immerhin war es ihr gelungen, ganz hinten in ihrem Schrank eine hübsche graue Bluse von Whistles auszugraben, die sie seit der Beerdigung ihrer Mutter nicht mehr getragen hatte.
    Die Erinnerung daran beunruhigte und tröstete Caroline zugleich. Mummy hätte von Grace und ihr erwartet, dass sie hier präsent waren. Verstohlen warf sie einen Blick auf ihr Handy, bevor sie durch den Torbogen ging. Immer noch keine Nachricht von ihrer Schwester. » Wo bist du?« , tippte sie.
    »Caroline?«
    Sie hob den Kopf und erblickte einen Schrank von Mann in einem kastenförmigen Tweedjackett mit einer wunderbar tiefen Stimme, die mehr als nur eine entfernte Ähnlichkeit mit der von Harry Belafonte hatte, wie alle sagten, wenn man ihn bei Familientreffen zum Singen überreden konnte.
    »Onkel Geoffrey!«
    Es tat so gut, seine Arme um sich zu spüren, sich an seine tröstend breite Brust zu schmiegen und endlich das Gefühl zu haben, dass ein anderer die Verantwortung trug. Seit Mummys Tod hatten weder
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