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Perlentöchter

Perlentöchter

Titel: Perlentöchter
Autoren: J Corry
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Wunsch sei zu malen. So wie er.
    »Darf ich …«, begann sie wieder. Darf ich den Pinsel dort nehmen?, wollte sie fragen. Darf ich die rote Tube auf dem Papier ausdrücken und die flüssige Paste über die Seite wischen?
    »Louisa.« Er blickte sie verärgert an. »Ich habe es dir bereits gesagt. Die Malerei ist kein Beruf für Frauen. Nicht für Frauen wie dich. Sie eignet sich sehr gut als Zeitvertreib, aber dabei solltest du es belassen. Bitte, frag mich nicht wieder.«
    »Das ist es nicht.« Ihre Worte kamen überstürzt, um die Lüge wettzumachen. »Es ist etwas anderes.«
    Er wartete. Nun gab es kein Zurück.
    »Etwas, was ich eigentlich Mama fragen sollte, aber das ist natürlich unmöglich.«
    Er machte nun einen verwirrten Eindruck, was ihre Nervosität nur noch steigerte. »Es handelt sich um eine delikate Angelegenheit, Papa.«
    Er legte den Pinsel zur Seite und kam zu ihr herüber. Manchmal fiel es ihr schwer, sich vorzustellen, dass ihr Vater ein echter Künstler war. Ein Künstler, der sehr gefragt gewesen war, bis seine Frau erkrankte, und dessen Werke früher in einer berühmten Londoner Galerie gehangen hatten. »Was ist, Louisa? Bist du krank?«
    »Nein.«
    Seine Stirn legte sich in Falten, und die dichten grauen Augenbrauen verknoteten sich schier. »Behandelt dein Mann dich gut?«
    Sie nickte, und Erleichterung huschte über sein Gesicht. Dann war es, als würde ein Licht aufgehen in diesen milchigen hellblauen Augen, die sie im Laufe der Jahre zu lieben gelernt hatte, aber auch zu fürchten.
    »Du bist in Hoffnung?«
    Sie lachte, schüttelte den Kopf und nickte dann. »Ich glaube schon. Ich bin mir nicht sicher.«
    »Mein liebes Kind!« Er umarmte sie leicht, und die Ölfarbe auf seinem Hemd verursachte ihr einen bitteren Geschmack im Mund.
    »Dann werde ich jemanden für dich finden, Louisa. Ich werde jemanden finden, mit dem du reden kannst. Jemanden, der sich mit diesen Dingen auskennt.«

3
    Louisa hatte immer ein unbehagliches Gefühl, wenn ihr Vater und Avelines Mutter sich im selben Raum an der Acacia Road aufhielten. Warum, konnte sie nicht ausmachen. Lag es vielleicht an dem weichen amerikanischen Akzent, der, laut Papas bewunderndem Ton, darauf zurückzuführen war, dass die ehrenwerte Mrs Gillingham aus Boston stammte? (Aveline hatte sich definitiv nicht angewöhnt, auf diese Art zu sprechen, aber vielleicht hatte das damit zu tun, dass ihr Vater Engländer war.) Oder lag es daran, dass es Louisa nicht besonders gefiel, wenn Papa sich mit einer anderen Frau unterhielt, während er außerstande war, dies mit seiner eigenen Frau zu tun?
    »Wann hat deine Mutter ihr Sprachvermögen verloren?«, hatte Aveline kurz nach ihrem Kennenlernen gefragt. Louisa, die es hasste, über solche Dinge zu sprechen, hatte kurz erklärt, dass ihre Mutter vor Jahren eine seltsame Krankheit erlitten habe, in deren Gefolge ihr rechter Arm schlaff und nutzlos geworden war. Was sie hätte hinzufügen können, aber lieber nicht tat, war, dass ihre Mutter vielleicht nicht im herkömmlichen Sinn sprechen konnte, aber dennoch recht verständlich mit ihrer Tochter kommunizierte, einfach durch den Ausdruck in ihren Augen. Derselbe Ausdruck, der keinen Zweifel daran ließ, dass sie Victoria Gillingham nicht traute, ob ehrenwert oder nicht. Wie jeder wusste, konnten die Amerikaner äußerst flatterhaft sein und viel zu verschwenderisch im Gebrauch von Lavendelwasser.
    Darum war die letzte Person, von der Louisa aufgeklärt werden wollte, was ihre Niederkunft betraf, Avelines Mutter. Diese tauchte gleich einen Tag nach ihrem Gespräch mit Papa unangemeldet auf und rauschte in das Morgenzimmer, wo Louisa am Pianoforte saß.
    »Meine Liebe!«
    Die Besucherin nahm direkt gegenüber Platz auf der burgunderroten Chaiselongue. Sie hatte eine äußerst aufrechte Haltung und setzte sich vorsichtig, damit die Falten ihres smaragdgrünen Seidenrocks ordentlich fielen. Das war eine Angewohnheit, die auch Aveline kultivierte und die Louisa verachtete. So gekünstelt! So amerikanisch!
    »Ihr lieber Herr Vater hat mir von Ihren Neuigkeiten berichtet. Ich freue mich ja so für Sie!« Mrs Gillingham beugte sich vor und senkte die Stimme – aber nicht ausreichend –, damit das Hausmädchen, das sich, dem Schlurfen nach zu urteilen, draußen in der Diele herumdrückte, nicht mithören konnte. »Was für ein Jammer, dass Ihre arme Frau Mama Ihnen in dieser Zeit keine Hilfe sein kann.«
    Oh, aber das kann sie, lag Louisa auf der Zunge,
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