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Perlentöchter

Perlentöchter

Titel: Perlentöchter
Autoren: J Corry
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war lächerlich.
    »Tessa«, wiederholte er. Und dieses Mal war es keine Frage. Sondern eine Feststellung. Ein Name.
    »Setz dich.« Er führte sie zu dem breiten Holzschaukelstuhl, den sie in einer Auktion erworben hatte, als Scarlet noch klein war. Sie hatte Stunden damit verbracht, das Holz mit Sandpapier abzuschleifen und anschließend mit Stahlwolle das Polierwachs einzureiben, von dessen Geruch man ganz benommen wurde. Seltsam, dass einem so dumme Sachen in den Sinn kamen, wenn der vernünftige Teil des Verstands einem sagte, dass etwas Ernstes, sogar etwas sehr Ernstes bevorstand. »Caroline. Es gibt etwas, was ich dir sagen muss.«

5
    »Und, Caroline, wie fühlen wir uns heute?«
    Dr. Miracle Man, wie er bei seinen Patientinnen hieß, strahlte zu ihr herunter, und seine scharlachrote Fliege erweckte den Eindruck, er wäre zum Aperitif eingeladen statt kurz davor, die halbjährliche gynäkologische Kontrolle durchzuführen, der sie und ihre Schwester sich seit dem Tod ihrer Mutter regelmäßig unterziehen mussten. Normalerweise freute sich Caroline darauf, Dr. Miracle Man mit seinem fichtennadelfrischen Aftershave zu besuchen, insofern man sich auf eine intime Untersuchung freuen konnte. Zunächst einmal gab es ihr das Gefühl von Sicherheit. Das Letzte, was sie wollte, war, dass Scarlet mit Anfang zwanzig ihre Mutter verlor, so wie sie damals ihre verloren hatte. Abgesehen davon war Dr. M, wie Grace ihn nannte, ein richtiges Original mit seiner fröhlichen Dinnerparty-Manier, was bedeutete, dass sie immer eine Ewigkeit damit verbrachten, über Schulen und Politik zu diskutieren, bevor er sich auf seine einfühlsame Art an die Arbeit machte, die einem jegliche Befangenheit nahm. Aber nicht heute. Nichts war mehr wie früher. Nicht mehr seit dem Tag von Tante Phoebes Beisetzung.
    »Nicht gut.«
    Sie starrte auf die makellos gestrichene magnolienfarbene Wand hinter ihm, während sie versuchte, ihrer Stimme einen normalen Klang zu geben.
    Dr. M zögerte, den Einweghandschuh in der Hand. Grace, die auch zu seinen Patientinnen zählte, war fest davon überzeugt, dass er es genoss, die Termine in die Länge zu ziehen, nur um zu plaudern. Aber heute wechselte sein Gesichtsausdruck von Frohsinn zu onkelhafter Besorgnis.
    »Das habe ich Ihnen sofort angesehen, meine Liebe, gleich als Sie hereinkamen. Möchten Sie mir davon erzählen?«
    Und so kam es, dass Caroline sich flach auf dem Rücken wiederfand (»Machen Sie einfach den Unterleib frei wie immer, meine Liebe. Die hübsche Kette dürfen Sie anbehalten.«), während Dr. M mit der Arzthelferin an seiner Seite seine Routineuntersuchung begann. Sie beschrieb ihm die Szene, als Simon ihr den mysteriösen Anruf erklärt hatte.
    »Er meinte, die Frau wäre früher mal in der Redaktion tätig gewesen und hätte für ihn geschwärmt.«
    Dr. M nickte leicht. »Und, glauben Sie ihm?«
    Sie nickte. »Ja. Ich glaube ihm. Simon ist nicht der Typ, der fremdgeht.« Außerdem, hätte sie am liebsten hinzugefügt, war mit ihrem Liebesleben alles in Ordnung. Jene Freundinnen, die von ihren Männern betrogen worden waren, hatten es seit Monaten nicht mehr mit ihnen getan beziehungsweise in einem Fall sogar schon seit Jahren nicht, weshalb es wahrscheinlich kein Wunder war, dass ihre Ehen nicht gehalten hatten. Aber bei Simon und ihr war das anders.
    Im Hintergrund konnte Caroline aus einem Zimmer ein Stück den Flur hinunter Mozartklänge hören.
    Dr. M streifte mit einem lauten Knall seine Handschuhe ab. »Meine Liebe, der Körper ist enger mit der Seele verbunden, als den meisten Menschen bewusst ist. Was Ihr momentanes Dilemma betrifft, haben Sie meiner Ansicht nach zwei Möglichkeiten: Entweder Sie glauben Ihrem Mann beziehungsweise tun so, als würden Sie ihm glauben, und leben ganz normal weiter. Oder Sie spielen die misstrauische Ehefrau, was, falls er sich nichts hat zuschulden kommen lassen, durchaus Schaden anrichten kann.«
    Er tätschelte sanft ihre Schulter. »Ich hoffe, das hilft Ihnen weiter. Wenn Sie sich nun bitte wieder ankleiden; wir schicken die Probe ins Labor. Da sind ein, zwei Kleinigkeiten, die ich mir genauer ansehen möchte.«
    Glaubte sie Simon? Carolines Gedanken wanderten zurück zu jenem Abend kurz nach dem Anruf, wie sie das zurzeit ständig taten, als Simon sie in einem seltsam höflichen Ton aufgefordert hatte, sich zu setzen, als wäre sie ein Gast in ihrem eigenen Haus. Er hat eine Affäre, dachte sie. Aber obwohl sie die Worte in ihrem Kopf
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