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Perlentod

Perlentod

Titel: Perlentod
Autoren: Juliane Breinl
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musste, laut Miriam, eine Art Supermann mit Model-Gesicht sein, der seine Angebetete fast täglich zum Essen einlud. Senta hörte nur mit halbem Ohr hin. Auch wenn sie selbst noch nichts dergleichen beobachtet hatte, konnte sie sich lebhaft vorstellen, wie die Kerle der dunkellockigen Schönheit in Scharen nachliefen.
    In den zwei Nachmittagsstunden saß Senta nicht mehr alleine in ihrer Bank. Miriam hatte sich nach der Pause wie selbstverständlich auf den leeren Platz neben ihr niedergelassen. Senta war nicht ganz wohl dabei, dass nun Rita ganz alleine dasaß und sich mit Sicherheit schwarzärgerte. Aber was hätte sie sagen sollen? Bleib lieber bei deinen Freundinnen sitzen, sonst kriegen die einen dicken fetten Hals auf mich? Nein, dachte Senta, so viel Unsicherheit würde bei Miriam bestimmt nicht gut ankommen. Außerdem fühlte sie sich auch ein wenig geschmeichelt. Für Leute wie Miriam hatte ihre Oma den Begriff »Leimpinselschwinger« geprägt. Eine Person, an der andere Leute kleben bleiben.
    Und auch wenn sie selbst nicht vorhatte, an Miriam zu kleben wie deren Hofdamen, genoss sie doch die aufmerksamen Blicke, die ihr die neue Nähe zu Miriam einbrachten. Senta spürte förmlich, wie sie für die anderen von der mauligen Großstadttussi zur coolen Neuen aufstieg. Die, die sich was traut. Die, um die sich plötzlich das angesagteste Mädchen der Schule bemüht. Sogar Clemens, der Klassenschönling, warf Senta auf einmal verschwörerische Blicke zu und ihr fiel zum ersten Mal auf, dass er ziemliche Glubschaugen hatte. Vor einer Woche noch, hatte Clemens ihr ein Bein gestellt, als sie in der Schulcafeteria an ihm vorbeigegangen war. Miriam und ihre Hofdamen hatten sich vor Schadenfreude schlappgelacht, als ihr deshalb der Joghurtbecher umgekippt war und sich sein rosafarbener Inhalt über ihre Shorts ergossen hatte. Und Miriam hatte einen ihrer Giftpfeile nachgeschickt und ihr in Anwesenheit der halben Klasse unterstellt, sie würde sich auf die denkbar plumpeste Art an Clemens heranmachen.
    Senta verscheuchte die unangenehmen Erinnerungen, nahm sich aber vor, trotz der scheinbaren Wende zum Besseren vorsichtig zu bleiben.
    Nach Schulende begleitete Miriam sie bis zu ihrem Fahrrad. Bevor Senta begriff, wie ihr geschah, hatte Miriam ihren Hofdamen verkündet, sie hätte mit Senta noch etwas zu besprechen. Ohne Zuhörer. Beinahe ängstlich beobachtete Senta, wie sich Lolle, Kim und Rita folgsam davonmachten.
    Was Miriam nur von ihr wollte? Senta musste nicht lange auf eine Antwort warten.
    »Kann ich dich mal was fragen?«, begann sie, sobald sie die Fahrradständer erreicht hatten.
    »Schieß los.«
    »Hast du eigentlich einen Freund?«, kam sie gleich zur Sache, während sie sich an der fein geschwungenen Unterlippe zupfte.
    Senta schluckte.
    »Warum willst du das wissen?«, fragte sie ausweichend.
    »Nur so. Du guckst manchmal so traurig. Ich hab gedacht, das ist vielleicht wegen einem Typen. Ich bin mir sicher, dass eine wie du einen Freund hat.«
    Senta war perplex. Schon wieder hatte sie Miriam unterschätzt.
    »Na ja«, zögerte sie. »Da ist schon was dran.«
    »Wie heißt er denn?«, wollte Miriam wissen und Senta biss sich im nächsten Moment auf die Zunge, als sie sich selber Rikos Namen sagen hörte. Seinen vollen Namen, samt dem ungewöhnlichen Nachnamen: Federiko van de Bleesen.
    »Er wohnt in München. Wir sehen uns selten. Das ist total scheiße«, verstrickte sie sich weiter. Zu behaupten, dass sie Riko selten sah, war mehr als übertrieben. Das letzte Mal hatte sie ihn vor vier Monaten gesehen. Zufällig. In der Nähe einer Bushaltestelle, an der Senta mit der Straßenbahn vorbeigefahren war.
    »Ist er schon älter?«, schnell wie in einem Kreuzverhör schob Miriam die nächste Frage nach und Senta nickte. Riko war schon neunzehn. Miriam lief jetzt neben Senta her, die ihr Fahrrad schob.
    »Und wie habt ihr euch kennengelernt?« Senta störte es nicht, wie Miriam sie immer weiter über Riko ausquetschte. War doch egal, dass Riko wahrscheinlich noch nicht mal mehr ihren Namen wusste. Er war weit weg und kein Mensch hier kannte ihn. Endlich einmal von Riko erzählen zu können, als wäre er ihr Freund, hatte etwas Befreiendes. Und so wirklich log sie ja auch nicht, wenn sie erzählte, dass sie sich vom Klettern kannten und dass er dort der Beste war. Während sie gerade ausholen wollte, um von ihrer großen Leidenschaft, dem Klettern, zu erzählen, unterbrach Miriam sie abrupt.
    »Hier muss ich
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