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Perlentod

Perlentod

Titel: Perlentod
Autoren: Juliane Breinl
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schüttelte stumm den Kopf und blickte gar nicht erst auf: »Die Zuckerwatte ist mir schnuppe. Und wenn Miriam sagt, dass die ein Nichts war, dann war sie ein Nichts. Mir tut es um die gar nicht leid! Sie hat es verdient zu sterben.«
    Der Gong läutete das Ende der Pause ein. Senta atmete erleichtert auf. Die aufgesetzte Herzlosigkeit der vier war ja nicht zum Aushalten.
    Als Senta nach Hause fuhr, begegnete ihr auf halber Strecke ein merkwürdiger Typ in farbverschmiertem Blaumann. Er grüßte Senta von seinem Mofa aus und sie winkte fröhlich zurück. Immer wenn sie nach der Sechsten aus hatte, kam ihr das Mofa samt seinem komischen Fahrer entgegen. Jedes Mal tippte er zum Gruß mit seiner Hand gegen den knallroten, verbeulten Sturzhelm und sah dabei aus wie ein Soldat aus dem vergangenen Jahrhundert. Genauso klapprig wie der Helm wirkte auch sein Mofa, das wahrscheinlich bereits mehrere Totalcrashs überstanden hatte. Anfänglich war Senta der Typ, dem sie den Spitznamen Beule verpasst hatte, einfach nur merkwürdig vorgekommen. Sie hatte den Blick gesenkt und getan, als sähe sie ihn gar nicht. Doch als Leni einmal zu Besuch bei ihr gewesen war, hatte die dem Grüßenden wild zurückgewunken.
    »Ey schau mal, ein Herr mit Manieren!«, hatte sie amüsiert gerufen. Seither erinnerte der Typ sie an Leni und Senta winkte Beule zurück, wann immer er ihr begegnete. Ja, sie hielt mittlerweile regelrecht Ausschau nach ihm und genoss das stumme Ritual.
    Aber heute grüßte Beule nicht. Zum ersten Mal knatterte er an ihr vorbei wie an einer Unbekannten. Was war das denn?, wunderte sich Senta. Doch Beules Verhalten sollte nicht die einzige Merkwürdigkeit dieses Tages bleiben.
    Am frühen Abend hatte sie sich von ihrem Vater in die Kletterhalle bringen lassen. Noch etwas, was Senta an ihrem neuen Heimatort gehörig auf die Nerven ging. In München hatte sie bequem mit der U-Bahn zur Kletterhalle fahren können. Doch hier gab es weder U-Bahnen noch nahe gelegene Kletterhallen. Und so war sie notgedrungen von ihren Eltern abhängig. Wenn sie Glück hatte, schaffte sie es zweimal in der Woche zum Klettern. Heute hatte es eine halbe Ewigkeit gedauert, bis sie endlich losgekommen waren, weil ihr Vater noch unbedingt das alte Schloss am Schuppen hatte auswechseln müssen.
    Senta trainierte hart an diesem Tag. In den Schulferien wollte sie mit einer Gruppe aus München für eine knappe Woche in die Schweiz fahren. Dafür wollte sie sich fit machen. Aber sie konnte sich nicht richtig konzentrieren. Die ganze Zeit spukte ihr das letzte Gespräch mit Miriam im Kopf herum. Wenn du Lust hast, kannst du der Clique beitreten, hatte sie zu Senta gesagt. Ist nur eine kleine Mutprobe nötig. Die würden sie am Wochenende machen. Im alten Hartinger Spritzenhaus.
    Nach zwei anstrengenden Stunden, in denen sie dreimal im Seil gehangen hatte, packte Senta ihre Sachen und setzte sich nach draußen, um auf ihren Vater zu warten. Immer noch grübelte sie über Miriams Angebot nach. Was sie nur vorhatte? Spontan kam ihr die Idee, dass es sich bei der ominösen Mutprobe um eine Kletteraktion handeln könnte. Vielleicht musste man eine alte rostige Feuerwehrstange erklimmen und sich irgendwo herunterlassen? Das wäre ein Leichtes für sie. Senta merkte, wie sie der Gedanke etwas beruhigte. Aber sollte sie sich der Mutprobe wirklich unterziehen? Eigentlich war sie sich doch gar nicht sicher, ob sie sich der Clique anschließen wollte. Besonders nicht nach dem heutigen Gespräch über die tote Lehrerin. Andererseits ergab sich endlich die Gelegenheit, sich nicht mehr so sehr als Aussätzige zu fühlen. Sie würde dazugehören und hätte die Clique nicht als Gegner. Denn eins stand fest: Stellte man sich mit Miriam gut, dann hatte man es an dieser Schule definitiv leichter. Wie Rebecca das finden würde, fragte sich Senta und wusste schon die Antwort. Sie fände es unmöglich. Irgendwann hatte sie Rebecca zu einer Klassenkameradin sagen hören, dass sie Leute wie Miriam meiden würde, weil man denen nicht trauen könne. Ja, Rebecca schien es offensichtlich nichts auszumachen, dass sie nur mit anderen »Uncoolen« zu tun hatte. Wenn Senta ehrlich zu sich war, dann war das auch der Grund, warum sie noch nicht auf Rebeccas Annäherungen reagiert hatte. In München hatte sie nie zu den »Uncoolen« gehört, Und obwohl ihr Rebecca eigentlich sympathisch war, hatte sie insgeheim die Befürchtung, für alle Zeiten als langweilig abgestempelt zu werden, wenn
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