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Perlensamt

Perlensamt

Titel: Perlensamt
Autoren: Barbara Bongartz
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über ihn schreiben werden. Hauptsache, er steht in der Öffentlichkeit.«
    Mir ist elend. Der Gedanke, David nie mehr wiederzusehen, ist mir gräßlich. Als wir uns zuprosten, weiß ich, daß ich auf D.D.s Vorschlag eingehen werde. Ich kehre zurück nach New York. Ich lasse mich wieder treiben.
    »Martin, du bist schon wieder geistesabwesend.«
    Ich sehe sie an. Ich versuche zu lächeln und merke, wie sich mein Kiefer verkrampft.
    »Kehrst du nach Berlin zurück, wie D.D. Miles es vorschlägt?«
    »Er schlägt nicht Berlin vor. Er sagte New York.«
    Einen Augenblick lang ist sie stumm.
    »Ach so.« Es klingt kleinlaut. Sekunden später hat sie sich wieder gefaßt. »Wann?«
    »Bald.«
    »Ist es nicht verblüffend, in diesem Job zu arbeiten und noch nie in New York gewesen zu sein? In Hongkong, in L.A., in Dubai, in jeder europäischen Großstadt sowieso – aber nie in New York? Ich würde gern mal die Zentrale sehen – und für ein paar Tage die Stadt erkunden. Im Indian Summer.«
    Ich erwidere nichts darauf. Madame kommt mit der Vorspeise aus der Küche. Sie scheint hochzufrieden über das wiedervereinte Ehepaar.

VIERUNDDREISSIG
    Drei Wochen später sitzen wir im Flieger nach Newark. Mona hat darauf bestanden, dieselbe Maschine zu buchen wie ich. Sie war von der Idee, New York im Indian Summer zu besuchen, nicht abzubringen. Nicht einmal durch die Information, daß der Indian Summer erst im Oktober beginnt. Sie ist glänzender Laune, als wir uns vor der Immigration trennen, sie sich zur europäischen Schlange gesellt, ich mich in die für residents einreihe. Draußen herrscht strahlendes Wetter und laue, noch sommerlich warme Luft. Ich fühle mich unwohl. Vermutlich ist es wieder mein verdammtes Stoffwechselproblem, das sich in einigen Tagen geben wird. Ein flüchtiger Schatten, eine Art zeitverzögertes Bild streift durch meinen Kopf. Ich frage mich einmal mehr, an welcher Stelle ich eine Weiche falsch gestellt habe. Aber ich sehe nicht, wie ich einen Augenblick des vergangenen Jahres so hätte beeinflussen können, daß … Als Bob unerwartet am Ankunftsterminal steht, erwähne ich nicht, daß ich eigentlich vorhatte, bei Gabriel auf der Upper West Side zu wohnen. Er begrüßt Mona herzlich, die sich vor Freude über die Gelegenheit, jemanden aus meiner Familie kennenzulernen, gar nicht zu fassen weiß.
    »Deine Freundin wohnt natürlich auch bei uns. Es ist Platz genug.«
    »Aber das Hotel?«
    »Wir werden es stornieren. Sofort. Wie ist die Nummer?« Der gute Bob hat bereits sein Mobile am Ohr.
    Mona ist entzückt von Brooklyn Heights. Sie kann es kaum glauben, als sie zum ersten Mal von Rosies Nordbalkon aus die Skyline von Manhattan sieht.
    »Das ist wie im Film.«
    Rosie findet es nicht wie im Film. Sie sieht Mona an. Dann mich. Sagt aber nichts. Nachdem wir unser Gepäck auf die Zimmer gebracht haben, reicht Bob den Kaffee im Garten. Ich stelle die Lederkassette wortlos auf den Tisch. Rosie starrt auf das Kästchen, als hätte ich ihre Gedärme auf einem Silbertablett serviert. Unvorstellbar, daß die Frau vor mir irgend etwas mit dem pummeligen Mädchen zu tun hat, an das die Briefe in der Kassette gerichtet sind, mit der Frau, die in jener Nacht in Langenfeld an mein Bett kam … Rosies Haut ist glatt, ihre Figur makellos, ihre Haare von einer milchigen Farbe, die ich nie zuvor an ihr gesehen habe. Nirgendwo kann sich meine Erinnerung einhaken. Rosie scheint ohne Alter. Unantastbar. Nach einer höflichen halben Stunde, in der sie hauptsächlich mit Mona spricht, tut sie kund, sie würde sich kurz zurückziehen, um sich umzukleiden. Gleich käme der Wagen. Für später sei ein Tisch bei Le Cirque bestellt. Es sei doch eine nette Idee, erst ein bißchen herumzufahren, damit Mona die Stadt kennenlernt, danach zu essen und später in der Bar des Peninsula eine Flasche Champagner auf meinen Geburtstag zu trinken.
    Ich dusche, ziehe mich um und gehe in den Garten zurück. Das Lederkästchen ist weg. Um mir die Zeit zu vertreiben, bis die anderen fertig sind, gehe ich über den Rasen und schaue mir Bobs neue Pflanzungen an. Als ich mich umdrehe, steht Rosie auf der Gartentreppe. Es sind ihre Worte, kühl und selbstüberzeugt, die mich plötzlich erkennen lassen, wer auf Davids Mutter geschossen hat.
    »Was meinst du, hätte ich tun sollen, Mr. Selbstgerecht? Erst meine Eltern erschießen und dann mich, weil ich in einem Land geboren bin, das Dreck am Stecken hat? Du bist Amerikaner. Mehr konnte ich nicht für
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