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Perlensamt

Perlensamt

Titel: Perlensamt
Autoren: Barbara Bongartz
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Ausstellung ansehen. Ist das möglich?«
    Sie mustert mich und nickt. Die Ausstellung ist auch bei näherer Betrachtung durchaus bemerkenswert. Aber was wollte David in einer Brüsseler Galerie für Gegenwartskunst? Eine Tür geht auf. Ein Mann Mitte oder Ende sechzig kommt heraus, begleitet von einem viel jüngeren. Der Ältere in Anzug und Krawatte gibt sich den Anschein, der Eigentümer der Galerie zu sein. Der junge Typ wirkt eitel, fast blasiert, unangenehm sicher für sein Alter, finde ich. Schwarze Haare, ein bißchen wie David. Schlicht gekleidet, nur in weißem Hemd und Jeans. Ich meine, ihn schon einmal gesehen zu haben. Der Galerist begleitet ihn zur Tür, die hinter dem jungen Mann wieder zugeschlossen wird. Ich sehe ihm nach. Seine Bewegungen sind geschmeidig. Der Körper wirkt durchtrainiert, sehnig und muskulös. Da fällt mir ein, wo ich den Jungen schon einmal gesehen habe: Berlin. Der Kunsthändler am Leipziger Platz. Courbets Bild vom Meer. Er war der Assistent des spurlos verschwundenen Herrn von Arnold. Nicht allzu schnell, gerade so, daß der Galerist und seine Mitarbeiterin nicht den Eindruck haben, ich liefe dem jungen Typen hinterher, verabschiede ich mich. Auf der Straße sehe ich ihn in Richtung Sablón verschwinden. Ich blicke mich um. Niemand aus der Galerie achtet auf mich. Der Junge geht den Hügel hinunter, mit federndem Gang, Richtung Unterstadt. Er telephoniert eifrig, als würde er einen Deal abwickeln. Ich sprinte ihm nach.
    Kurz vor dem Bahnhof gelingt es mir, ihn bis auf ein paar Meter einzuholen. Es ist bemerkenswert, wie schnell und elegant er sich bewegt. Er betritt die Galerie St. Hubert. In der überdachten Ladenstraße drängeln Touristen. Erst jetzt fällt mir ein, daß Wochenende ist. Der Typ betrachtet die Auslage einer Papeterie. Ich beobachte ihn und gleichzeitig unser Spiegelbild in der Fensterscheibe, zwischen Massen fremder Köpfe, die sich neben uns spiegeln. In den verschwimmenden Konturen erblicke ich einen jüngeren David. Er sieht auf die Uhr, zögert, überlegt. Er wird von einem jungen Paar angerempelt. Rucksacktouristen. Bleibt unbeeindruckt auf der Stelle stehen. Dann, plötzlich entschlossen, betritt er ein Café. Ich verliere ihn aus dem Blick. Die Menge wird dichter. Bald verdeckt der Menschenpulk die filigrane Ästhetik der Passage. Die feinen Auslagen in den Vitrinen verschwinden hinter rotzig gekleideten, grellbunten Gruppen. Ich werde gestoßen. Es ist heiß und stickig. Die Menschen riechen ranzig, ungewaschen, verschwitzt. Ich drehe mich um, suche nach einem Ausgang, streife dabei noch einmal das Innere des Cafés. Da sehe ich ihn schemenhaft die Treppe herunterkommen. Er ist nicht allein. Ich wühle mich ein paar Schritte aus der Menge in eine Nische und warte. Er kommt mit David heraus. Zielstrebig gehen sie in Richtung Grand Place. Von wegen Kunst. David hat einen Freund in Brüssel.
    »Brüssel? Warum ausgerechnet Brüssel? Du suchst in Brüssel einen neuen Job?«
    Mona hatte gar nichts verstanden. Es hätte jede Stadt sein können, Hauptsache unbekannt. Monate hatte ich damit verbracht, in Berlin nur noch meinen Job nach Vorschrift zu tun und nachts an nichts anderes zu denken als an David – und wie ich diesem merkwürdigen Verhältnis entkommen könnte. Eine Zeitlang war alles ruhig gewesen. Er meldete sich nicht bei mir und ich mich nicht bei ihm. Und dann hielt ich es plötzlich nicht mehr aus. Just in dem Moment, als ich zum Hörer greifen und mich mit ihm verabreden wollte – ähnlich der Situation, wenn ein Trinker nach Monaten der Trockenheit wieder zur Flasche greifen will –, ergab sich die Gelegenheit mit Brüssel. Das rettete mich. Mit Brüssel verband ich nichts außer dem Europaparlament und der Schokolade von Marcolini. Ich hatte untertauchen wollen. Das Haus, das ich übernehmen konnte, der absurde Ort waren Grund genug. Daß ich den beiden folge, merke ich erst, als ich hastig zu laufen beginne. Ich habe sie aus den Augen verloren. Wie der Teufel es will, klingelt mein Mobile.
    »Wo sind Sie?«
    »D.D.?«
    »Wo sind Sie, Saunders?«
    »In Brüssel. Und ich habe vor, hier zu bleiben. Ich habe gekündigt.«
    »Ihre Kündigung liegt im Müll. Sie können Jahresurlaub nehmen. Es ist ohnehin Sommer. Im September erwarte ich Sie in New York. Sie waren lange genug in Berlin. Ich brauche einen neuen Büroleiter hier.«
    »Ich wohne jetzt in Brüssel.«
    »Gehen Sie einmal die Galerien durch. Ich will wissen, was da angeboten wird.
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