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Perlensamt

Perlensamt

Titel: Perlensamt
Autoren: Barbara Bongartz
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Speisezimmer decke?«
    Mona bittet sie darum, einen Tisch mitten auf den Rasen unter die Bäume zu stellen, mit einem weißen Tischtuch und vielen Kerzen. Madame, so verknallt wie sie in Mona ist, hält das für eine ausgezeichnete Idee.
    »Ich bin nach Brüssel gekommen, um dir in Ruhe zu erzählen, was ich herausgefunden habe. Hörst du mir jetzt endlich einmal zu, Martin Saunders?«
    »Hast du eine Abtreibung gehabt?«
    »Überhaupt je in meinem Leben oder gestern? Und wenn es so wäre, was ginge dich das an? Gehörst du zu den amerikanischen Evangelisten?«
    »David sagt, du seist von ihm schwanger gewesen.«
    Sie zieht hörbar die Luft ein. Madame kommt mit einem Tablett aus der Küche, auf dem zwei frische, mit Wein gefüllte Gläser stehen. Mona nimmt eines, atmet noch einmal tief durch und macht eine Geste mit dem Kopf, die heißen soll, komm endlich. Als sie spricht, ist ihre Stimme leiser als zuvor.
    »Was ist mit dir los? Bist du eifersüchtig? Ich glaube es nicht! Du bist zerfressen von Eifersucht!«
    Ja, ich bin eifersüchtig. Aber sie irrt. Sie meint sich. Sie meint tatsächlich, daß ich David das Verhältnis mit ihr geneidet hätte. Sie kommt nicht auf die Idee, daß es umgekehrt ist. Ich wünschte, diese verdammte Geschichte erschiene mir so absurd wie ihr.
    »Du hast den Typen mit seiner Sammlung angeschleppt und alles durcheinander gebracht. Ich habe nie verstanden, was dich an dieser Mordgeschichte so bewegt hat, an David, an dieser abscheulichen Familie …«
    Er hat mich glücklich gemacht. Wie sollst du das verstehen, du blöde … ich schiebe das Wort, das ich denken will, nach der ersten Silbe in meinen Hinterkopf zurück.
    »Jetzt dichtest du mir zu allem Überfluß eine Affäre mit ihm an. Das ist absurd. Hör mir doch einmal zu! Ich habe versucht, einen Verdacht zu klären. Wenn ich dir alles erzählt habe, kannst du entscheiden, ob du mir glaubst oder nicht.«
    Ich will ihr nicht zuhören. Ich will meine Koffer packen. Abreisen. Diese Geschichte hinter mir lassen. Für immer. Aber Mona ist gnadenlos. Sie setzt sich in einen der Korbstühle, die Madame angeschleppt hat, und beginnt zu erzählen. Mona hatte Perlensamt bereits vor dem Tod seiner Mutter hin und wieder gesehen – flüchtig auf Kunstparties und Vernissagen. Vorgestellt wurden sie einander nie. Sie kannte weder seinen Namen noch seinen Hintergrund. Sie hielt ihn für einen Exzentriker und ignorierte ihn mehr oder weniger. Er kam auch zu den Weihnachtsausstellungen. Bot sich überall an, schien immer dabei sein zu wollen. Er war beredt, schien aber niemanden zu kennen. Wirkte auf seltsame Art bemüht. Den Damen gab er Ratschläge, was sie ersteigern sollten. Er scheute auch nicht davor zurück, Experten zu belehren, bot seine Erfahrung auf verschiedenen Gebieten an. Er verstand tatsächlich etwas von Diamanten, von alten Lackarbeiten, Emaille und Cloisonné. Vor allem aber verstand er etwas von der Malerei des 19. Jahrhunderts und der klassischen Moderne.
    Mona beobachtete ein immer gleiches Spiel. Perlensamt knüpfte einen Kontakt, gab einen Ratschlag, sein Gesprächspartner schien begeistert. Dann plötzlich wirkte sein Gegenüber enerviert. Man versuchte ihn loszuwerden. Mich schmerzt jedes ihrer Worte. Ich will gar nicht wissen, warum. Kurz denke ich, daß es ein Fehler war, auf Monas Bitte, hier her zu kommen, einzugehen. Dann lasse ich den Gedanken fallen. Ich werde meine Koffer wieder packen. Untertauchen. Mona redet weiter, ohne zu realisieren, was mich beschäftigt. Plötzlich war David verschwunden. Das war kurz vor dem Tod seiner Mutter. Niemand vermißte ihn. Mona am wenigsten. Sie hatte kein Faible für Exzentriker, nie gehabt. Als ich ihn im Zusammenhang mit dem Courbet erneut anschleppte, war sie zunächst nur unangenehm berührt, noch nicht nervös. Sie hielt sich zurück. Sie fürchtete, sie sei befangen, da sie David nicht mochte. Schließlich war sie darüber verärgert, wie ich von David schwärmte, von seinen Ideen, seiner Lebendigkeit, seinem Unternehmungsgeist. Ich hätte so getan, als hätte ich noch nie im Leben einen Freund gehabt und nun endlich in Perlensamt einen gefunden. Mona sah in Perlensamt meine fixe Idee, einen Rausch, in dem ich verschwand, ähnlich wie ich früher in der Familiengeschichte der Camondos verschwunden war. So wie David und ich miteinander umgegangen waren, täglich unzertrennlich und vertraut, hätte man meinen können, wir wären ineinander verliebt. Sie wußte, daß ich nicht
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