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Performer, Styler, Egoisten

Performer, Styler, Egoisten

Titel: Performer, Styler, Egoisten
Autoren: Bernhard Heinzelmaier
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Bildungseinrichtungen für das Gemeinwesen im Sinne der Herausbildung von Gemeinwesenorientierung bei ihren AbsolventInnen zu fördern, wäre es, staatliche Förderungen von der Erfüllung dieses gemeinwesenorientierten Erziehungs- und Bildungsauftrages abhängig zu machen. Im Zuge einer ständigen begleitenden Evaluierung aller Schulen und höheren Bildungseinrichtungen sollten entsprechende demokratiepolitische Qualitätsstandards sichergestellt werden.
    Werte und Wertewandel im Neoliberalismus
    In den 1960er Jahren wurde in Europa und den Vereinigten Staaten ein Wandel der Werte in Richtung eines postmaterialistisch dominierten Wertesettings beobachtet (vgl. Inglehart 1995). Pflicht- und Akzeptanzwerte traten zugunsten von Selbstverwirklichungswerten zurück. Mit dieser Entwicklung ging der Verlust der Bedeutung von materiellen Werten einher. Diese wurden durch idealistische Grundhaltungen ersetzt. Unter dem Motto „Ideen zählen mehr als Geld“ zog eine postmaterialistische Jugendbewegung gegen die materialistische Nachkriegsgeneration ins Feld. Der Materialismus der 1980er Jahre war alt, der Postmaterialismus jung. Doch in den 1990er Jahren wandelt sich das Bild. Eine neue Jugend wendet sich gegen ihre postmaterialistische alt-1968er Elterngeneration. Das Motto der stillen Revolution lautet: „Wir wollen etwas leisten und wir wollen dafür auch materiell entschädigt werden.“
    Ab nun kennzeichnen Pragmatismus, Individualismus und kalkulierte Anpassungsbereitschaft die Wertewelt der Jugend. So lautete jedenfalls der Grundtenor vieler Gesellschaftsanalysen. Aber die Sache stellt sich am Ende dann doch nicht so einfach dar. Denn nicht der alte Materialismus trat wieder an die Stelle des postmateriellen Idealismus, vielmehr entstand ein neuer Hyprid aus materiellen und postmateriellen Werten. Helmut Klages bemerkt auf Basis seiner empirischen Forschung, dass der Postmaterialismus nicht einfach den Materialismus ersetzt hat, um dann in der Folge wieder vom Materialismus verdrängt zu werden. Vielmehr gehen seit den 1990er Jahren Materialismus und Postmaterialismus eine Synthese ein (vgl. Klages 1988). Die Vermischung von Materialismus und Postmaterialismus ergibt ein typisches unübersichtliches, ephemeres, flüssiges, widersprüchliches Wertebild. Alles vermischt sich mit allem. Einmal tritt das materialistische, einmal das postmaterialistische Wesen des Menschen hervor. Eindeutigkeit geht verloren, Mehrdeutigkeit und ständiger Wandel treten in den Vordergrund. Vieles, was früher klar war, wird nun widersprüchlich, bis hin zur Paradoxie. Ein Beispiel dafür ist das Optimismus-Pessimismus-Paradoxon (vgl. Deutsche Shell 2006). Es verweist darauf, dass die postmoderne Jugend mit Bezug auf die persönliche Zukunft optimistisch ist, was die Zukunft der Gesellschaft betrifft, ist sie hingegen eher pessimistisch. Das persönliche Schicksal erscheint also als vom Schicksal der Gesellschaft entkoppelt. Oder, um ein weiteres Beispiel zu nennen, die institutionelle Religion verliert an Bedeutung und Ansehen, gleichzeitig bilden sich aber individualisierte Formen einer außerinstitutionellen Spiritualität heraus. Ähnlich in der Politik.
    Die Parteien werden von den Menschen, vor allem von den jungen, gemieden, aber es bilden sich außerparlamentarische Bewegungen wie der arabische Frühling oder Occupy Wallstreet, die allerdings genauso flüchtig sind wie die Charaktermasken und Identitätsbilder des postmodernen Menschen. Kaum sind sie da, sind sie schon wieder weg, um bald danach wieder in völlig anderer Form wiederzukehren. Die Postmoderne verändert alles, indem sie aus alten Eindeutigkeiten neue Vieldeutigkeiten macht. Wo früher Klarheit herrschte, ist nun alles diffus. Wo einmal die Orientierung an Traditionen Sicherheit gab, überwiegt heute die Ausrichtung des Handelns an einer unsicheren Zukunft. Überhaupt ist die Zukunft längst zur Zuchtmeisterin der Gegenwart geworden (K. P. Liessmann). Alles Denken und Handeln in der Gegenwart muss seine Zukunftstauglichkeit unter Beweis stellen, muss sich an einem ideologischen Bild der Zukunft ausrichten, hinter dessen Perpektive mehr wirtschaftliche und Machtinteressen als das Interesse an der Wahrheit der Prognose stehen.
    Werte kennzeichnen das, was sich einzelne Menschen oder Menschengruppen vom Leben wünschen. Sie sind keine Regeln, sondern Ideen, die die Menschen motivieren sollen, in einer bestimmten Art und Weise zu handeln. Während das Gesetz
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