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Performer, Styler, Egoisten

Performer, Styler, Egoisten

Titel: Performer, Styler, Egoisten
Autoren: Bernhard Heinzelmaier
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der alten Bildungsideale ist die Vermittlung von Fachkompetenzen getreten, die für den Einzelnen und für „die Wirtschaft“ möglichst gewinnbringend verwertbar sein sollen. Bildung wird also unter das Diktat des Ideals des „homo oeconomicus“ gestellt, dessen Interessen in erster Linie von einem materiellen Nutzenkonzept getragen werden. Ökonomische Nutzenorientierung in der Bildungspolitik bedeutet, dass die vermittelten Bildungsinhalte primär einem ökonomischen Zweck zu dienen haben. Wichtig ist nicht, was vermittelt wird und was es dem Einzelnen bedeutet, sondern ob es den ökonomischen Zweck erfüllt.
    Diese ökonomistische Verkürzung und Verzweckung des Bildungsbegriffes geht mit einem tiefgreifenden gesellschaftlichen Wandel einher, den Wilhelm Heitmeyer als die Ökonomisierung des Sozialen beschreibt. Die Ökonomisierung des Sozialen ist die Folge einer Verallgemeinerung der Marktwirtschaft, d. h. ökonomische Imperative ufern aus, verlassen ihren angestammten Bereich, die Sphäre der Ökonomie, und greifen auf nahezu alle anderen Sphären der Gesellschaft über – auf Schule, Familie, Gesundheitswesen Bildung etc. Symbolisiert wird dieser Wandel in den gesellschaftlichen Strukturen und Werten auch durch die Veränderung des Sprachgebrauchs. So wurde beispielsweise Bildung längst zur Bildungsökonomie und Gesundheit zur Gesundheitsökonomie.
    Die Ökonomisierung des Sozialen zieht die Ökonomisierung des Denkens nach sich. Vor allem die junge Generation orientiert sich weitgehend am individuellen ökonomischen Vorteil und ist dafür bereit, persönliche Überzeugungen und Vorlieben zurückzustellen, vor allem, was die Arbeitswelt betrifft. Arbeit und Selbstverwirklichung ist für einen immer größer werdenden Teil der Jugend nicht mehr miteinander zu verbinden. Man kann davon ausgehen, dass der Mainstream der Jugend die Arbeit als ein von außen auferlegtes Übel wahrnimmt, das es möglichst effizient zu absolvieren gilt, um sich im Anschluss an sie in der Freizeit, durch den Einsatz der durch die Arbeitsleistung erworbenen finanziellen Mittel, selbst zu verwirklichen. Nur den Bildungseliten gelingt es noch, Arbeit und Selbstverwirklichung miteinander zu verbinden.
    Wir treffen heute aber auch auf ein Phänomen, das in den Sozialwissenschaften als Werteverschiebung vom Postmaterialismus zum Neomaterialismus bezeichnet wird. Der Neomaterialismus steht für eine Grundhaltung, die postmaterielle Werte der 1968er und post-1968er Generation wie Solidarität, Toleranz, idealistische Selbstverwirklichung und die Kritik an gesellschaftlicher Ungerechtigkeit und Unterdrückung durch ein neomaterialistisches Wertesetting ersetzt, in dem die beherrschenden Werte Sicherheit, Konsum, sozialer Aufstieg, Nutzenorientierung und Affirmation der gesellschaftlichen Verhältnisse sind. Unter den Bedingungen einer materialistischen Wertedominanz werden Ethik und moralisches Handeln sekundär. „Flexible Bindungslosigkeit“ (Richard Sennett) tritt an die Stelle von verbindlichen und emotionalen Beziehungen, Bildungseinrichtungen werden zu Ausbildungsgängen, die nicht mehr vermitteln als nutzbringend zu verwertende Fähigkeiten und Fertigkeiten.
    Vor diesem Hintergrund kann es kaum verwundern, dass die drei für die Jugend wichtigsten Themenkomplexe Migration, Ausbildung und Arbeit/Arbeitslosigkeit sind. Wobei das Thema Migration und die Art und Weise, wie es von den Jugendlichen gedacht wird, einen ersten Einblick in die geistige und emotionale Mechanik einer Gesellschaft der gut ausgebildeten Ungebildeten gibt. Vor allem jene jungen Menschen, denen das, was man Menschen- und Persönlichkeitsbildung nennt, fast völlig fehlt, die den Sinn ihrer eigenen Existenz nur am materiellen Konsum in einer Eventgesellschaft ausrichten und die völlig unfähig sind zur Toleranz gegenüber dem Fremden und dem „sich Einfühlen“ in die emotionale und kulturelle Situation von MigrantInnen, befürworten Politiken der Ausschließung und Abschiebung, nur weil sie glauben, dass die Zuwanderung ihnen zur Konkurrenz am Arbeits- und Freizeitmarkt erwächst oder weil es sie ängstigt, dass fremde Kulturen dabei sind, die Landeskultur zu modifizieren. Was umfassend gebildete Menschen als interessant und bereichernd empfinden, ist für den einseitig fachspezifisch ausgebildeten eindimensionalen Menschen die Quelle von Beunruhigung und Angst. Die gut ausgebildeten Ungebildeten sind ängstliche Kreaturen, weil sie wenig über die Welt
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