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Performer, Styler, Egoisten

Performer, Styler, Egoisten

Titel: Performer, Styler, Egoisten
Autoren: Bernhard Heinzelmaier
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wissen. Alles, was sie kennen, betrifft den engen Bereich ihrer Fachausbildung. Ein Übermaß an Fachkompetenz korrespondiert mit dem totalen Mangel an Allgemein- und Herzensbildung. Kühl kalkulierend und mit stark begrenztem Horizont und engem Herz geht diese neue Elite der Ungebildeten durch die Welt, die Angst im Nacken, von anderen, ebenso „coolen“ Charakteren wie sie selbst übervorteilt und aus dem Feld geschlagen zu werden.
    Genauso instrumentell und zweckgetrieben, wie große Teile der postmodernen Jugend mit ihrer menschlichen und materiellen Umgebung umgehen, gehen sie auch mit sich selbst zu Werke. Eigene Interessen und Anlagen werden unterdrückt, anstelle dessen ergreift man jene Ausbildungen, die der Arbeitsmarkt am besten bewertet. Martin Heideggers Satz vom Tauschwert, der an die Stelle der ideellen Werte tritt, kommt einem in den Sinn. Paradigmatisch für diesen Trend sind die vielen Fachhochschulen und Privatuniversitäten, aber auch die nun verschulten und autoritär reglementierten staatlichen Universitäten, in denen Bildung systematisch durch die unkritische Akkumulation von Fachwissen und dessen Abprüfung im geistlosen Multiple-Choice-Verfahren verdrängt wird. In verschulten Ausbildungsgängen werden die Jugendlichen systematisch für die Verwendung in Industrie und Gewerbe hergerichtet, anstelle von Menschenbildung werden Konkurrenz- und Ellenbogenmentalität eingeübt. Der freie Geist wird unter einer Lawine von Regulativen, Normen und Richtlinien erstickt. Am Ende verlässt schön verpacktes und gut portioniertes Humankapital die bildungsökonomisch hoch effizienten Ausbildungsfabriken.
    Und der große Teil der Jugendlichen wehrt sich nicht dagegen. Das ist mitunter schon die erste Auswirkung einer Technik der „Unbildung“ (K. P. Liessmann), die aus jungen Menschen an Kultur und Bildung desinteressierte kühle Kalkulanten im Sinne ihrer individualistischen, materialistisch-kleinbürgerlichen Lebensziele macht. Vielleicht wird noch einmal die Zeit kommen, wo wir uns vor den gut ausgebildeten, aber ungebildeten Mitmach-Maschinen fürchten und uns den umfassend, im Hinblick auf ein ganzheitliches Menschsein gebildeten Menschen zurückwünschen werden.
    Ein bekannter österreichischer Industrieller hat mich einmal während einer Bildungsdiskussion mit der Aussage überrascht, „Österreich braucht eine neue ’68er Bewegung“. Sein emotionales Statement zielte auf ein in der Normalität erstarrtes Land ab, in dem neue Ideen und Kreativität als störend empfunden werden und eine sich rasend ausbreitende Mentalität der kalkulierten Anpassung spontanes wie ideelles, nicht am unmittelbaren Eigennutz ausgerichtetes Handeln fast völlig ausgerottet hat. Die zweite 1968er Bewegung wird aber wohl ein, im wahrsten Sinne des Wortes, frommer Wunsch bleiben, der sich schwer erfüllen wird, ist doch die Jugend durch die Ausbildungsgänge, durch die sie getrieben wird, dem Denken in politischen Zusammenhängen dermaßen entfremdet, dass sie gesellschaftliches Engagement gar nicht mehr als Möglichkeit des Handelns in Betracht zu ziehen vermag. Ganz im Sinne von Alexis de Tocqueville überlassen diese jungen Menschen die Gesellschaft gerne sich selbst, nachdem man sie durch die gnadenlose Anwendung von Techniken der Unbildung dazu gebracht hat, ihre Prioritäten auf die kleinbürgerlichen Gemeinschaften zum eigenen Gebrauch zu verlagern.
     
    Hamburg/Wien im März 2013

Individualismus – Gemeinschaft – Gesellschaft
    Über den Zwang zur Selbstverwirklichung unter neoliberalen Bedingungen
    Der Egozentrismus steht heute im Mittelpunkt von öffentlichen, aber auch von sozialwissenschaftlichen und philosophischen Diskussionen. Vor allem politische Parteien und die Kirchen beklagen die abnehmende Bereitschaft junger Menschen, sich für das Gemeinwesen zu engagieren. In der Philosophie sind es vor allem die aus dem angelsächsischen Raum kommenden Kommunitaristen, die eine Rückbesinnung auf das Gemeinwesen, eine Renaissance der Gemeinschaftswerte verlangen. Und in Deutschland und Österreich treten selbst prononciert konservative Autoren wie Frank Schirrmacher auf und verlangen eine Rückkehr zu solidarischen Haltungen und wohlfahrtsstaatlicher Gesinnung, ein Gestus, der früher eher für linke als für konservative Kommentatoren typisch war.
    Doch das ökonomische System folgt davon unbeeindruckt weiterhin seiner neoliberalen Grundorientierung, in der an die Stelle von Gemeinschaft und
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