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Performer, Styler, Egoisten

Performer, Styler, Egoisten

Titel: Performer, Styler, Egoisten
Autoren: Bernhard Heinzelmaier
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Solidarität Leistung und Konkurrenz getreten sind. Längst ist der Neoliberalismus mehr als eine Wirtschaftstheorie mit der dazugehörigen Praxis. Der Neoliberalismus ist ein Gas (Gilles Deleuze). Einem Gas kann man kaum Grenzen setzen. Aus der Ökonomie kommend strömt es ungehindert in alle Diskurse und Praxisfelder der System- und Lebenswelt ein. Neoliberal gedacht und gehandelt wird nicht nur an den Börsen und in den Betrieben. Die neoliberale Logik hat längst auch das Gesundheitswesen, das Bildungssystem, die Familie etc. erfasst. Was Karl Polanyi schon den 1940er Jahren angemerkt hat, ist heute mehr als offensichtlich – die Gesellschaft ist zum Anhängsel des Marktes geworden: „Die Wirtschaft ist nicht mehr in die sozialen Beziehungen eingebettet, sondern die sozialen Beziehungen sind in das Wirtschaftssystem eingebettet.“ (Polanyi 1978: 88f)
    Der verbetriebswirtschaftlichte Individualismus
    Der Neoliberalismus beruht auf dem Ideal des freien Besitzindividuums. Demgegenüber gilt der Staat als Träger der Unfreiheit, als tyrannisch und unterdrückerisch. Nie soll er über die Gesellschaft herrschen „und den freien Individuen diktieren, was sie mit ihrem Einkommen machen“. (Hall 2011: 657) In der Gedankenwelt des Neoliberalismus wird das Individuum in erster Linie als ein wirtschaftlich handelndes Individuum gedacht, als Unternehmer.
    Die gesamte Lebensführung des „unternehmerischen Selbst“ (Bröckling 2007) ist am Verhaltensmodell des Entrepreneurs ausgerichtet. Die Werte, die den Entrepreneur treiben, sind betriebswirtschaftliche. Im Zentrum der betriebswirtschaftlichen Lebensführung steht das Prinzip von möglichst viel Output bei möglichst wenig Input. Dem Unternehmer erscheint sein Gegenüber nicht als Partner, sondern in erster Linie als Konkurrent und Mitbewerber. Nur einer kann gewinnen, und damit der eine gewinnen kann, müssen die anderen aus dem Feld geschlagen werden. Doch das „unternehmerische Selbst“ verwirklicht sich nicht nur im selbständigen, freien Unternehmertum. Auch der abhängig Beschäftigte wird zum Unternehmer seiner selbst, indem er seine gesamte Lebensführung am Verhaltensmodell des Entrepreneurs ausrichten muss. War der typische Arbeitnehmer der Nachkriegszeit der Massenarbeiter, der in einem übersichtlich gegliederten System auf die Anweisung von Vorgesetzten hin das tat, was verlangt wurde, so ist der typische Arbeitnehmer der Gegenwart der Arbeitskraftunternehmer. Der Arbeitskraftunternehmer wird nicht mehr von Vorgesetzten mobilisiert, er mobilisiert sich selbst. Aber nicht nur das. Er organisiert sich auch selbst und er kontrolliert sich selbst. Seine ganze Lebensführung ist „verbetriebswirtschaftlicht“. Er repräsentiert den Typus des betriebswirtschaftlichen Menschen, der entstehen muss, wenn die sozialen Beziehungen in das Wirtschaftssystem eingebettet sind und nicht umgekehrt die Wirtschaft in die sozialen Beziehungen.
    Die betriebswirtschaftliche Logik hat das gesamte Denken des Individuums erfasst. Es ist so selbstverständlich geworden, betriebswirtschaftlich zu denken, dass es dem Menschen nicht einmal mehr auffällt, wenn er es tut. Das ganze Denken und Handeln ist auf den instrumentellen Nutzen in einem wirtschaftlichen Sinn ausgerichtet. Jeder Gedanke und jedes Tun muss seine Zweckmäßigkeit an etwas verbürgen, das außerhalb seiner selbst liegt, und das ist entweder ein ökonomischer oder ein machttechnischer Nutzen. „Denken muss an etwas gemessen werden, das nicht Denken ist, an seiner Wirkung auf die Produktion oder seinem Einfluss auf die Gesellschaft.“ (Horkheimer 2007: 65) Die betriebswirtschaftliche Logik zerrt alles vor den obersten Richter – und dieser ist der Markt. So auch die „heilige“ Kunst, „die in jedem Detail an etwas gemessen wird, was keine Kunst ist, ob es sich um die Theaterkasse oder den Propagandawert handelt“ (Horkheimer 2007: 65).
    Den größten Fehler begeht der Mensch des Neoliberalismus, wenn es ihm um die Sache selbst geht, denn dann ist er nicht nur vom Bankrott bedroht, sondern es wird ihm sogar unterstellt, gegen den Sinn der ewigen Natur des „homo oeconomicus“ zu handeln. Der „homo oeconomicus“ darf kein Bild mehr malen um des Bildes willen und kein Brot mehr backen um des Brotes willen. Beide, sowohl der Maler als auch der Bäcker, handeln nur dann richtig, wenn sie als Unternehmer handeln, die sich an den Gesetzen des Marktes orientieren.
    Gemeinschaft der äußeren Güter
    Der
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