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Performer, Styler, Egoisten

Performer, Styler, Egoisten

Titel: Performer, Styler, Egoisten
Autoren: Bernhard Heinzelmaier
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schottisch-amerikanische Philosoph Alasdair MacIntyre unterscheidet zwischen „äußeren“ und „inhärenten“ Gütern. An äußeren Gütern orientiert zu sein, heißt beispielsweise, einBild zu malen, um damit reich und berühmt zu werden. MacIntyre unterstellt, dass die Menschen der Gegenwart dazu erzogen werden, sich von äußeren Gütern leiten zu lassen. Der Maler, der das Bild aus Freude und Interesse an der Kunst malt, folgt dem „inhärenten“ Gut. Das inhärente Gut kann nur dann erreicht werden, wenn es uns um die Sache selbst geht.
    Es ist aber eine zweite Voraussetzung wichtig, um das „inhärente“ Gut zu erreichen, und diese besteht in der Ausrichtung des Handelns an der Gemeinschaft. Unter Gemeinschaft ist hier aber nicht die zweckrationale Interessengemeinschaft (Netzwerke zur Akquisition von Sozialkapital) zu verstehen, sondern eine Gemeinschaft, in der die Mitglieder sich den anderen Mitgliedern gegenüber von moralischen Ideen wie Ehrlichkeit und Gerechtigkeit geleitet verhalten.
    Zweckrationale Interessensgemeinschaften befördern Betrug und Korruption. Sie können nur unter Kontrolle gehalten werden, wenn sie eine starke Ordnungsmacht, ein übermächtiger Staat beherrscht. Ohne große Anstrengung erkennt man in der Beschreibung der zweckrationalen Interessengemeinschaft, in der sich alle am äußeren Gut orientieren, das Ideal der neoliberalen Gesellschaft. In ihr regiert das betriebswirtschaftliche Denken, das Gewinn-, Konkurrenz- und Leistungsdenken. Ein jeder ist des anderen Gegner, ganz nach Thomas Hobbes’ Beschreibung des Urzustandes der Menschheit, einer Zeit, in der der Mensch des Menschen Wolf („homo homini lupus“) war. Was es bedeutet, wenn in einer neoliberalen Marktgesellschaft der Krieg jeder gegen jeden herrscht, und wie er geführt wird, beschreibt der frühere Finanzmanager Greg Smith in seinem Kommentar „Why I am leaving Goldman Sachs“ in der New York Times . Die Akteure werden von einem egozentrischen Nutzenkonzept getrieben. Der Kunde ist nur mehr das Mittel zum Zweck des eigenen Erfolges, dem alles aufgeschwatzt wird, was der Firma nutzt. Die Interessen des Kunden sind sekundär. In der Welt des Finanzmanagements herrscht anstelle einer Kultur der Verantwortung eine Kultur des amoralischen anything goes . Anstelle der Ethik des traditionellen Kaufmanns ist die kriminelle Energie des gewissenlosen Finanzjongleurs getreten. In den Worten von Greg Smith (2012): „Today, if you make enough money for the firm (and are not currently an ax murderer) you will be promoted into a position of influence.“
    Von der Disziplinar- zur Kontrollgesellschaft
    Der Neoliberalismus propagiert den Hobbes’schen Urzustand, das mitleidslose „Jeder-gegen-Jeden“. Und der alles überragende, allmächtige Staat garantiert, dass die Regeln auf dem ökonomischen Schlachtfeld eingehalten werden und das Schlachtfeld selbst durch laufende Akquisitionen kontinuierlich erweitert wird (vergleiche hier auch diverse Computerspiele wie Siedler , World of Warcraft etc., die das ökonomische Denken und sein expansives, koloniales Prinzip abbilden und spielerisch transportieren). Das neoliberale Denken argumentiert gerne mit der Freiheit des Menschen, diese Freiheit gilt aber primär im ökonomischen Feld. Alle anderen Bereiche des menschlichen Lebens werden in ihrer Freiheit eingeschränkt und kontrolliert, sofern ihre Kultur sich nicht der ökonomischen Rationalität unterordnet. So wird die Freiheit der Wissenschaft der ökonomischen Rationalität untergeordnet, indem nicht-ökonomische Diskurse an den Universitäten ausgegrenzt, die Universitäten verschult, d. h. im Sinne der Konkurrenzkultur des kapitalistischen Unternehmens umgestaltet und damit die Studierenden in eine Lernkultur integriert werden, die sie zu brauchbaren, unterordnungsbereiten Mitarbeitern für ihre späteren Arbeitgeber formt, und die Entscheidungsverhältnisse durch Drittmittelforschung und Privatbeteiligungen an den Universitäten selbst zugunsten der Wirtschaft verschoben werden.
    Gleichzeitig verwandelt sich die Form staatlicher Herrschaft und Machtausübung grundsätzlich. An die Stelle der Disziplinargesellschaft des 18. und 19. Jahrhunderts, die die Menschen in Einschließungsmilieus zwang (Fabrik, Klinik, Schule, Familie etc.) und dort beherrschte, tritt die Kontrollgesellschaft mit ihren Kontrollformen mit freiheitlichem Aussehen. Im Gegensatz zur Disziplinargesellschaft setzt die Kontrollgesellschaft nicht
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