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Performer, Styler, Egoisten

Performer, Styler, Egoisten

Titel: Performer, Styler, Egoisten
Autoren: Bernhard Heinzelmaier
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auf Fremdzwänge, sondern auf den – viel effektiveren – Selbstzwang. Die Aktivierung von Selbststeuerungspotentialen tritt an die Stelle von Überwachen und Strafen (vgl. Deleuze 1993).
    Das Individuum verwirklicht sich nun in der Arbeit selbst. Die arbeitszentrierte Gesellschaft entsteht, in der alle anderen Lebensbereiche um die Arbeit herum gruppiert und gestaltet, ihr nachgeordnet werden. Die Lebenswelt wird zum Anhängsel der Arbeitswelt. Freundschafts-, Beziehungs- und Familienverhältnisse werden arbeitskompatibel gemacht. Nun genügt es nicht mehr, dass der Arbeitnehmer seine Arbeit einfach erledigt, er muss sie auch gerne tun. Um dies zu gewährleisten, entsteht ein breites und vielfältiges Angebot an Motivationstechniken, die den Mitarbeiter in einen frohen Knecht des Arbeitsverhältnisses verwandeln helfen.
     
    Die Motivationstechniken sind erfolgreich und werden von den Menschen inkorporiert. Dies führt dazu, dass Arbeitnehmer, die ihre Arbeit sorgsam, aber freudlos verrichten, zudem unter moralischen Druck ihres eigenen grausamen Über-Ichs geraten, weil sie sie nicht gerne tun.
    Das freie Individuum des Neoliberalismus gerät hier unter die Herrschaft einer moralisierenden Toleranz, wie sie von Slavoij Žižek beschrieben wird (vgl. Žižek 2011). Früher, unter disziplinargesellschaftlichen Verhältnissen, wurden klare Befehle gegeben und deren umgehende Ausführung erwartet. Ob der Adressat den Befehl gerne oder mit Freude befolgte, stand nicht zur Diskussion. Heute wird der Adressat zudem noch moralisch erpresst, den Befehl auch noch mit Freude auszuführen. Und warum das alles? Weil die motivierte und mit Freude tätige Arbeitskraft als Produktivkraft erkannt wurde. Und so ist der bisher doppelt freie Lohnempfänger mit einem Male dreifach frei. Er ist aus traditionellen Solidarbeziehungen freigesetzt, frei von Produktions- und Arbeitsmitteln und befreit von der freien Verfügungsgewalt über seine emotionale Befindlichkeit.
    Das Diktat der Selbstverwirklichung und seine psychischen Folgen
    Der Mensch unserer Zeit ist zur Freiheit verdammt, weil sie die ökonomisch produktivste Existenzweise ist. Mehr denn je erscheint sie ihm als Last. Tagtäglich muss er, bis zur totalen Erschöpfung, von ihr Gebrauch machen. Das Gefühl, immer mehr alleine zu stehen und für ein ganzes Leben selbst verantwortlich zu sein, wird vielfach als erdrückend wahrgenommen.
    Die Menschen stehen unter permanentem Druck, aus eigener Verantwortung heraus handeln und gestalten zu müssen. In den Unternehmen werden ihnen Ziele gesetzt. Die Art und Weise, diese zu erreichen, stellt man ihnen frei. Aus dem Nichts heraus, ohne Anhaltspunkte und Hilfestellung, müssen Lösungsstrategien erarbeitet werden. Kreativität heißt das Schlüsselwort, das man den Verzweifelten an den Kopf wirft: „Versuchen Sie doch, kreativ zu sein.“ Managementberater bieten Seminare für Kreativtechniken an. Kreativität kann man lernen, sagen sie. Die Teilnehmer verlassen die Lehreinheiten genauso ratlos und verzweifelt, wie sie es davor waren.
     
    Burn-out heißt die Erkrankung unserer Zeit, nur ein anderes Wort für Depression. Depression ist die Krankheit einer Zeit, deren Verhaltensnormen nicht mehr auf Schuld und Disziplin gründen, sondern auf Verantwortung und Initiative, meint Alain Ehrenberg (2008). Wurde gestern angepasstes Verhalten verlangt, so wird heute Initiative und mentale Stärke gefordert. Immer größer wird die Gruppe vor allem unter den jungen Menschen, die sich mehr Vorgaben und Hilfestellung und weniger die permanente Anrufung ihrer Kreativität und Fähigkeit zur Eigenmotivation wünschen.
    Demokratie und Staat: passive Bürger und
jämmerliche Politik
    Die erschöpfte Masse kommt ausgepowert aus dem Job. Was sie dann will, ist Unterhaltung und ganz sicher keinen politischen Diskurs. In der Arbeit permanent in die Verantwortungsrolle gedrängt, gibt man die Verantwortung für den Staat gerne in die professionellen Hände der Politik. Doch leider findet sich in der Politik wenig Professionalität.
    Die Jungen sind in erster Linie einer Politik zugänglich, die schön verpackt ist. Zuerst kommen Personen und ästhetische Formen, danach erst Inhalte und Programme. Die Bildmedien haben sie zu Augenmenschen erzogen, zu Menschen, die mit den Augen denken, zu Menschen, die nicht überzeugt, sondern verführt werden wollen.
    Zuerst fällt das Augenmerk der Augenmenschen immer auf Personen. Politik wird so als eine
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