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Performer, Styler, Egoisten

Performer, Styler, Egoisten

Titel: Performer, Styler, Egoisten
Autoren: Bernhard Heinzelmaier
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Die Beschäftigung der Sinne ist die Hauptaufgabe juveniler Marketingkommunikation. In einem Zeitalter des Spektakulären wollen die Menschen nicht überzeugt, sie wollen berührt, verführt, erschüttert werden. Ein gut inszenierter, völlig sinnloser Sprung aus 39 Kilometer Höhe ist wichtiger als jede Produktinformation. Das postmoderne Individuum will den (Sinnes-)Rausch und nicht die Wahrheit.
     
    Juvenile Kommunikation braucht ein sicheres ästhetisches Terrain
    Bild ist nicht gleich Bild, Codes sind nicht gleich Codes. Die spektakuläre Lifestyle-Kultur hat sich breit ausdifferenziert. Unterschiedliche Gruppen, vor allem unter den jungen KonsumentInnen, sind mit unterschiedlichen symbolischen Formen emotional verbunden. Werden Codes zu weitgehend verallgemeinert, verlieren sie ihre „magische“ Wirkung. Mehr denn je gilt heute in der juvenilen Kommunikation der alte Satz: „Wer für alles offen ist, der ist nicht ganz dicht.“ Zielgruppen strukturieren sich nach symbolischen Formen, grenzen sich aufgrund spezifischer Ästhetiken voneinander ab. Es ist besser, auf einem sicheren ästhetischen Terrain zu stehen, als es allen recht machen zu wollen. Die intensive Zuwendung zu einer klar abgegrenzten „Szene“ ist die notwendige „Homebase“, von der ausgehend es einmal möglich sein könnte, andere Symbolkulturen zu erobern.
     
    Role Models statt Vorbilder
    Das ästhetische Zeitalter sucht keine Vorbilder, sondern Role Models. Vorbilder funktionieren nach der alten diskursiven Symbolik. Sie versuchen, mit Argumenten zu überzeugen. Role Models überzeugen durch ihre ästhetische Kompetenz, sie folgen einer präsentativen kommunikativen Logik. Lady Gaga argumentiert genauso wenig wie David Beckham. Vor allem deshalb beeinflussen sie das kulturelle und Konsumverhalten der Menschen. Role Models sind niemals angepasst. Sie überschreiten Grenzen, sie fordern heraus. Wir bewundern, was uns überlegen ist, und lieben, was sich uns unterwirft. Role Models müssen überlegen sein, sollen sie funktionieren. Wir bewundern nicht unser langweiliges „authentisches“ Selbst, wir bewundern den, der unsere Durchschnittlichkeit überschreitet. Role Models funktionieren dadurch, dass sie Rebellen im Medium des „Styles“ sind, Stil-Rebellen. Sie fordern die Gesellschaft auf dem Terrain des Ästhetischen heraus. Aber trotzdem sie die Grenzen des Alltäglichen überschreiten, müssen sie anschlussfähig an die Alltagskultur bleiben. „Most advanced, yet acceptable“ heißt das Prinzip, nach dem sie funktionieren.
     
    Das Körperbild als Köder für egozentrische Individualisten
    Der Körper steht im Zentrum der egozentrischen Individualisierung. Er wirkt deshalb, weil er sich der präsentativen Symbolik bedient. Der Körper argumentiert nicht, er zeigt sich. Er ist das Zentrum einer „performativen Ökonomie“ (vgl. Neckel 2008). Dies bedeutet, dass der Körper nicht dem Leistungs-, sondern dem Erfolgsprinzip unterliegt. Er überzeugt nicht primär durch arbeitsbezogene Leistungen, sondern durch den performativen Markterfolg. Das Körperbild muss nicht ehrlich erarbeitet sein. Es ist egal, durch den Einsatz welcher Mittel es erzeugt wird. Authentizität ist ein altes Wort mit einer alten Bedeutung. Keinen interessiert mehr, was sich hinter einer ästhetischen Form, einer Maskerade verbirgt. Der Körper ist, wie er ist. Er wird zur Kenntnis genommen, nicht hinterfragt. Der Körper steht im Mittelpunkt des egozentrischen Individualismus, der ein ästhetischer Individualismus ist. Das Besondere ist das Körperliche, das, was sich zeigt, nicht das, was spricht. Das postmoderne juvenile Marketing zeigt sich eng mit dem Körper verbunden. Die Magie der präsentativen Symbolik wird eingesetzt, um Menschen zum Konsum zu verführen. Der Körper ist der Köder, mit dem der egozentrische ästhetische Individualist gefangen wird.

Literatur
    Adorno, Theodor W.: Erziehung zur Mündigkeit. Vorträge und Gespräche mit Hellmut Becker 1959 – 1969. Frankfurt am Main 1971.
    Ammon, Frieder von: Texte zur Musikästhetik. Stuttgart 2011.
    Anders, Günther: Die Antiquiertheit des Menschen. Band 2: Über die Zerstörung des Menschen im Zeitalter der dritten industriellen Revolution. München 2002.
    Aristoteles: Politika. Reinbek bei Hamburg 1994.
    Aristoteles: Nikomachische Ethik. Stuttgart 2010.
    Baacke, Dieter: Handbuch Jugend und Musik. Opladen 1997.
    Baringhorst, Sigrid u. a. (Hrsg.): Politik mit dem Einkaufswagen. Unternehmen
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