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Perdido - Das Amulett des Kartenmachers

Titel: Perdido - Das Amulett des Kartenmachers
Autoren: Rob Stevens
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weichen violetten Sand.
    Wenn er in sein Ruderboot steigen könnte, das nur wenige Meter entfernt auf dem Strand lag, wäre er in nicht mal einer Stunde wieder auf dem Schiff. Er stand unbeholfen auf. Er hatte sich den Knöchel verstaucht, aber allem Anschein nach hatte er sich nichts gebrochen. Nun konnte ihm ja wohl nichts mehr passieren. Doch ein Geräusch ließ ihn jäh aufblicken – und sein erleichtertes Lächeln verwandelte sich in einen Ausdruck des Entsetzens.
    Die breitschultrigen, schwerfälligen Ungeheuer kamen die Klippe heruntergeklettert und bewegten sich auf ihren vier Stampfern so leichtfüßig wie Spinnen an einer Hauswand. Wie gelähmt vor Furcht sah Pedro sie immer näher kommen, wobei sie sich mit den breiten Schwänzen auf dem steilen Hang abstützten, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Im Nu hatten sie ihn umzingelt.
    Ein Scheusal holte mit dem Schwanz nach dem Ruderboot aus. Das kleine Fahrzeug wurde wie ein federleichtes Balsaholzmodell an die Felswand geschleudert und war nur noch ein Trümmerhaufen. Die Ungeheuer kreischten triumphierend. Pedro stieg ein abscheulicher Gestank nach faulen Eiern in die Nase und er musste würgen. Eine Bestie richtete sich auf den Hinterläufen auf und kam auf ihn zugestapft. In dieser Haltung glich sie eher einem Menschen als einem Tier: ein abstoßender Unhold, der sich mit den geballten Klauentatzen auf den gehörnten Kopf trommelte.
    Pedro begriff, dass er verloren war. Als er jedoch gen Himmel blickte, um leise ein letztes Stoßgebet zu sprechen, erblickte er etwas, das ihn wieder hoffen ließ. Hoch oben auf der Klippe stand eine massige Gestalt, deren Fell im Mondschein glänzte.
    »He, Erebus!« Pedros Stimme überschlug sich. »Bitte hilf mir!«
    »Du hast mich hintergangen«, lautete die knurrende Antwort. »Warum sollte ich dir jetzt helfen?«
    »Weil ich dir dann verrate, wo sie ist. Ich habe sie auf der Insel versteckt, aber ich habe mir aufgeschrieben, wo. Wenn du mir aus der Klemme hilfst, bringe ich dich hin.«
    Pedro zog das schmale Stück Holz aus seinem Waffenrock und hielt es hoch. »Da steht alles drauf, Ehrenwort!«
    Die Bestien rückten näher an ihr im Sand kauerndes Opfer heran. Einen Augenblick lang verharrte der Fürst reglos, dann stieß er einen gellenden Schrei aus – wie ihn zuvor die Ungeheuer ausgestoßen hatten. Die Bestien hielten sofort inne. Zwei trabten davon und kletterten die Felswand ebenso flink wieder hoch, wie sie hinuntergeklettert waren. Im Nu standen sie oben auf der Klippe, wo sie den Fürsten tief geduckt wie jagende Löwen umschlichen. Der Fürst zog sein Schwert. Die breite Stahlklinge blitzte im Mondlicht.
    Da sprangen ihn die beiden Untiere an. Der Fürst wich einen Schritt zurück, drehte sich um und stieß dem einen das Schwert in den Bauch. Ein grässlicher Schrei – die Bestie stürzte zu Boden. Blitzschnell zog der Fürst die Klinge wieder heraus, fuhr herum und stand dem anderen Vieh gegenüber. Er holte noch einmal weit aus und ließ das Schwert schwungvoll niederfahren. Diesmal ertönte kein Schrei.
    Das zweite Untier brach neben dem Fürsten zusammen. Sein abgetrennter Kopf kullerte die Felswand hinunter, immer schneller, wie ein Ball, der eine Treppe hinunterspringt, und landete dumpf im Sand. Die einzelne Nüster zuckte immer noch schauerlich.
    Daraufhin heulten die überlebenden Ungeheuer im Chor. Pedro bekam am ganzen Leib eine Gänsehaut. Jetzt würden sie ihn bestimmt fressen!
    Aber sie würdigten ihn keines Blickes mehr. Denn sie waren allesamt losgestürmt und kletterten die Klippe hoch, angespornt von einem tierischen Instinkt, der ihnen gebot, auf jeden loszugehen, der ihrem Rudel Böses wollte.
    Das war die Gelegenheit! Das Ruderboot war nicht mehr zu gebrauchen, aber Pedro war ein guter Schwimmer. Als er ins Wasser watete, hörte er die Todesschreie eines weiteren Ungeheuers. Pedro war klar, dass der Fürst nicht alle Bestien ganz allein erschlagen konnte, aber das kümmerte ihn nicht. Er wollte bloß noch weg von der Insel – und zwar lebendig. Als er sich eben in die glatten schwarzen Fluten stürzen wollte, packte ihn jemand an der Schulter.
    Pedro wurde aus dem Wasser gerissen und hoch und immer höher himmelwärts entführt. Er flog! Er hing in den Klauen eines riesigen Vogels mit Flügeln, so groß wie die Segel eines kleinen Schiffes. Pedro wand sich zappelnd, worauf das Holzstück aus seiner Rocktasche glitt und lautlos an seinen vergeblich danach haschenden Händen
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