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Perdido - Das Amulett des Kartenmachers

Titel: Perdido - Das Amulett des Kartenmachers
Autoren: Rob Stevens
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ein berühmter Entdecker werden! Du sollst mir ein Schiff kaufen, damit ich unbekannte Länder entdecken kann.«
    »Aha.« Lord Lilywhite rieb sich die Augen.
    »Außerdem brauche ich einen Titel«, fuhr Rupert fort. »Nur so lange, bis mich der König zum Ritter schlägt.«
    »Nun, wenn du ein eigenes Schiff befehligst, bist du damit zwangsläufig Kapitän.«
    »Kapitän?« Rupert ließ die Bezeichnung auf sich wirken. »Ich dachte da doch an etwas Pompöseres. ›Admiral‹ würde mir entschieden besser gefallen.«
    Da nun Lord Lilywhite ein ausgesprochen wohlhabender Geschäftsmann war, und da er Rupert für das Genialste seit derErfindung des Rades hielt, gab er den Bau eines Schiffes in Auftrag. Zudem hatte Lord Lilywhite auch in Europa viele Bekannte. Der eine war zufällig mit Christoph Kolumbus befreundet und wusste zu sagen, dass der berühmte Entdecker bald nach England käme, um eine Schiffsbesatzung für seine nächste Unternehmung anzuheuern. Der Bekannte arrangierte für Rupert ein Treffen mit Kolumbus, damit er sich von ihm erzählen lassen konnte, wie man Entdecker wurde.
    Als Rupert jedoch mit Kolumbus bekannt gemacht wurde, holte er nicht etwa dessen Rat bezüglich der Segelkunst oder des Navigierens ein, sondern ließ sich lang und breit darüber aus, wie reich und berühmt er demnächst sein würde, wenn er erst einmal einen neuen Kontinent entdeckt hatte. Er prahlte auch mit dem Schiff, das eigens für ihn gebaut wurde.
    »Es wird aus massiver Eiche gefertigt«, verkündete er. »Der Großmast wird länger als der jedes anderen Schiffes in der Geschichte der, äh … großen Schiffe. Und meine Kajüte wird die luxuriöseste aller Zeiten. Sie wird mit feinstem Hirschleder ausgeschlagen.«
    »Gewiss doch«, erwiderte Christoph Kolumbus. (Er war zwar Italiener, beherrschte aber viele Sprachen.) »Und was für eine Mannschaft wollt Ihr anheuern?«
    »Was für eine Mannschaft? Ach, ich suche mir einfach am Hafen irgendwelche Seeleute zusammen – Vater hat mir reichlich Geld gegeben. Übrigens wird mein Schiff die göttlichste aller Galionsfiguren besitzen.«
    »Aha.« Christoph Kolumbus gähnte verstohlen. »Auf welchen Namen wollt Ihr Euer Prachtschiff denn taufen?«
    »Ach, auf keinen gar zu pompösen, Bescheidenheit ist schließlich eine Zier.« Ein zufriedenes Lächeln umspielte RupertsLippen. »Wahrscheinlich taufe ich es auf einen sträflich untertriebenen Namen, zum Beispiel ›Der Glorreiche Unerschrockene Rupert Lilywhite‹ .«
    »Das klingt allerdings, äh, ausgesprochen bescheiden«, entgegnete Kolumbus. »Darf ich Euch einen Vorschlag machen?«
    »Wenn’s sein muss.«
    »Ich finde, ein ausländischer Name würde Eure umfängliche Erfahrung und unbändige Abenteuerlust noch besser charakterisieren.«
    Rupert nickte nachdenklich.
    »Es gibt da einen spanischen Ausdruck, der Eure Person trefflich beschreibt«, sagte Christoph Kolumbus. »Wie wär’s, wenn Ihr Euer Schiff auf den Namen ›El Tonto Perdido‹ tauft?«
    Das hörte sich in der Tat ungemein klangvoll an, fand Rupert.

2. Kapitel
    H
ugo Bailey und sein Onkel Walter kamen aus Daisys Hafenteestube und hielten sich die vollen Bäuche. Sie feierten Hugos Geburtstag und hatten soeben zwei gebratene Frettchen und einen ganzen marmeladengefüllten Biskuitkuchen verdrückt.
    »In meinem ganzen Leben habe ich noch nicht so gut gegessen«, schnaufte Hugo. »Danke, Onkel Walter.«
    »Nun ja, mein Lieblingsneffe wird schließlich nur einmal zwölf.« Walter setzte eine flache Stoffmütze auf. Er hatte buschige weiße Augenbrauen und einen dichten Schnurrbart, der seinen Mund verdeckte. Wenn er lächelte – wie gerade eben –, bebte der Schnurrbart, und er bekam Fältchen um die Augen. Er legte Hugo den Arm um die Schultern und sie schlenderten den kopfsteingepflasterten Kai entlang.
    Vor einem prächtigen Schiff hatte sich ein kleiner Menschenauflauf gebildet. Hugo zupfte seinen Onkel am Ärmel. Ein ungewöhnlich blasser Mann war eben im Begriff, vom Bug des Schiffes aus eine Ansprache zu halten.
    Rupert Lilywhite hatte eine öffentliche Feier zur Taufe seines nagelneuen Schiffes organisiert, das unbestreitbar ein ausgesprocheneindrucksvolles Fahrzeug war. Es besaß drei gewaltige Masten, von denen der längste über sechzig Meter hoch aufragte. Die Segel knatterten ungeduldig im Wind. Über jedem Segel wehte ein violettes Seidenbanner, das in verschnörkelten Goldlettern die Anfangsbuchstaben ›R. L.‹ trug.
    Das Schiff hatte am Bug
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