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Perdido - Das Amulett des Kartenmachers

Titel: Perdido - Das Amulett des Kartenmachers
Autoren: Rob Stevens
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Staub. Er fand Karten ungeheuer spannend, denn sie verhießen Wissen über die Vergangenheit, ungelöste Rätsel und künftige Abenteuer. Wenn er mit dem Finger die Küstenlinien nachfuhr, stellte er sich das Land vor, das sie umschlossen. Sein Finger wanderte die Westküste von Afrika hinunter bis zum Kap der Guten Hoffnung, dann wagte er sich aufs Meer hinaus und zog immer engere Kreise.
    Ganz benommen nahm Hugo die Hand wieder weg und betrachtete die Karte mit großen Augen. So viele Länder gab es, ein jedes mit seiner ganz eigenen, klar umrissenen Form und Größe … seinem ganz eigenen Charakter. Er staunte jedes Malaufs Neue, wie klein England doch war. Das einzige Land, das er kannte, war verglichen mit dem Rest der Welt bloß ein kleiner Klecks. Und der Rest der Welt bestand lediglich aus jenen Landstrichen, die schon entdeckt waren. »Was mag es noch alles für ferne Länder geben?«, raunte er wie im Selbstgespräch.
    Schon von den auf den Karten verzeichneten Namen bekam er eine Gänsehaut: Böhmen, Konstantinopel, Arabien, Mosambik … Er hatte oft zugehört, wenn Onkel Walter seinem Vater von den Wüsten, Gebirgen und Meeren erzählt hatte, die auf den Karten dargestellt waren, und er wünschte sich nichts sehnlicher, als selbst einmal zu erleben, was für Farben, Geräusche und Gerüche diese fremdländischen Orte zu bieten hatten. Onkel Walters Karten machten ihm Appetit darauf, die Welt zu entdecken. Vielleicht würde das Festmahl bald stattfinden.
    Von seiner Seite aus stand dem jedenfalls nichts mehr im Wege. Kartenzeichnen war sowohl eine Wissenschaft als auch eine Kunst und Hugo hatte sich ordentlich hineingekniet. Nur nachts kam er dazu, Walters Karten und seine ausführlichen Aufzeichnungen zu studieren. Hugo hatte sich Trigonometrie und Astronomie beigebracht, und wie man mit Hilfe der Sonne und der Sterne die Breitengrade berechnet, und er hatte sich eingeprägt, wie man auf offener See die Geschwindigkeit eines Schiffes abschätzt.
    Als er diesmal die Tür hinter sich abschloss und den Schlüssel wieder in den Krug legte, war er zufrieden, aber zugleich platzte er schier vor Ungeduld. Er hatte alles auswendig gelernt, was Onkel Walters Notizen über das Kartenzeichnen zu entnehmen war. Es wurde Zeit, dass er seine Kenntnisse endlich anwandte.

4. Kapitel
    A
dmiral Rupert Lilywhite traf um die Mittagszeit im Hafen ein. Er gedachte schon am folgenden Tag in See zu stechen und hatte so gut wie alle Vorbereitungen getroffen. Fehlte nur noch eine Kleinigkeit, nämlich die Besatzung, die auf der El Tonto Perdido für das Segeln zuständig war, während er selbst das tat …, nun, was berühmte Entdecker auf großer Fahrt eben zu tun pflegten.
    Rupert hielt Ausschau nach irgendwem, der aussah, wie er sich einen Seemann vorstellte. Sein Blick blieb an einem stoppelbärtigen Tätowierten mit langem, strähnigem Haar haften, weil der Mann den Eindruck machte, als sei er ein wenig unsicher auf den Beinen. Sogar im Stehen schwankte er wie ein junger Baum im Wind. Rupert hatte gehört, dass sehr erfahrene Seeleute manchmal so an das Schlingern ihrer Schiffe gewöhnt waren, dass sie an Land Schwierigkeiten hatten, sich auf den Beinen zu halten. Der Tätowierte hatte derartige Schwierigkeiten, sich auf den Beinen zu halten, dass Rupert daraus schloss, er müsse ein wahrhaft erfahrener Seemann sein.
    »Ahoi, Kamerad!« Rupert tat sein Bestes, sich einwandfrei seemännisch auszudrücken. »Ich bin gerade dabei, eine Besatzungfür mein Schiff zusammenzustellen.« Er deutete schwungvoll auf die El Tonto Perdido.
    Der schwankende Tätowierte betrachtete erst das über ihm aufragende Schiff und dann Rupert, wobei er bei dem Versuch, ihn anzupeilen, ein Auge zukniff. »Hä?«, machte er.
    »Einem erfahrenen Seemann, der eine tüchtige Mannschaft befehligen kann, biete ich eine mehr als anständige Heuer.« Um seine Behauptung zu unterstreichen, holte Rupert ein Säckchen Goldstücke aus der Tasche und wog es in den Händen, als wollte er abschätzen, wie schwer es war.
    Der schwankende Tätowierte begaffte das Säckchen mit aufgerissenen Augen. »Wenn das so ist, bin ich ein anständiger Seemann mit einer erfahrenen Mannschaft und lasse mich gern tüchtig bezahlen«, lallte er.
    »Wohin ging die weiteste Fahrt, die du bislang unternommen hast?«, erkundigte sich Rupert.
    »Auf unserer letzten Fahrt sind wir die ganze Strecke bis Land’s End und wieder zurück gesegelt«, entgegnete der schwankende
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