Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Perdido - Das Amulett des Kartenmachers

Titel: Perdido - Das Amulett des Kartenmachers
Autoren: Rob Stevens
Vom Netzwerk:
vorbei in die Tiefe trudelte.
    Pedro wurde über die Klippe getragen. Unter sich sah er den von Ungeheuern umzingelten Fürsten. Einen flüchtigen Augenblick lang fühlte sich Pedro seltsam geborgen, wie er da hoch über dem tödlichen Kampf schwebte … dann merkte er, dass der Vogel zur Landung ansetzte. Pedro strampelte trotzig mit den Beinen, als der Vogel auf die tobende Meute niederstieß, und als er schon das struppige Fell auf den Rücken der Untiere erkennen konnte, ließen ihn die Vogelklauen los.
    Pedro überschlug sich und blieb mitten im Getümmel auf dem Rücken liegen. Vor ihm schwang der Fürst sein Schwert. Pedro wollte sich hochrappeln, doch schon stand ein Ungeheuer auf den stämmigen Hinterläufen über ihm. Sein Atem roch faulig,die Augen waren milchig rosa. Als das Vieh das Maul aufriss, sah man Zähne, spitz wie Glasscherben. Ein zäher Speichelklumpen tropfte auf Pedro herunter und bedeckte ihn mit Schleim. Das Vieh riss das Maul noch weiter auf. Pedro schrie in Todesangst. Das Ungeheuer stürzte sich schnaubend auf ihn. Dann schnappten die mächtigen Kiefer zu.

1. Kapitel
    R
upert Lilywhite reichte der jungen Dienstmagd seinen Mantel, nahm den Hut ab und warf das lange Haar in den Nacken. Das Mädchen knickste und eilte davon. Rupert schritt in den Salon, wo seine Mutter damit beschäftigt war, ein Spitzentaschentuch zu besticken.
    »Hast du einen schönen Spaziergang gemacht, Rupert?«, erkundigte sich Lady Lilywhite.
    »Die Stadt ist das reinste Tollhaus«, erwiderte Rupert. »Überall gewöhnliche Leute!«
    »Deswegen nennt man sie ja wohl auch ›gewöhnlich‹.« Lady Lilywhite lächelte. »Wenn sie nicht überall wären, wären sie ›ungewöhnlich‹, nicht wahr?«
    Rupert betupfte sein Gesicht mit einer Puderquaste. »Unten am Hafen herrscht ziemliche Aufregung«, fuhr er mit matter Stimme fort. »Alles spricht über einen gewissen Kolumbus.«
    Lady Lilywhite strahlte. »Ich weiß! Ist das nicht aufregend?«
    »Ist was nicht aufregend? Wer zum Teufel ist dieser Kolumbus eigentlich?«
    »Der bedeutendste Seefahrer, den die Welt je gesehen hat. Er ist soeben von seiner großen Reise zurückgekehrt.«
    Rupert seufzte. »Und warum machen die Leute einen solchen Wirbel um irgendeinen unbedeutenden Seefahrer?«
    »Kolumbus ist nicht irgendein Seefahrer. Er ist Admiral der spanischen Flotte und ein bedeutender Entdecker. Es heißt, er sei westwärts übers Meer gesegelt und habe ein noch unbekanntes Land entdeckt.«
    »Donnerwetter!«, sagte Rupert ironisch.
    »Anscheinend hat ihm Königin Isabella von Spanien eine Audienz gewährt. Nun wird er ihr von seinem jüngsten Abenteuer gewiss die kostbarsten Schätze mitbringen.«
    »Schätze?« Rupert horchte auf.
    »Im Gegenzug wird ihn die Königin zum Don ernennen.«
    »Zum was?«
    »Ich glaube, so nennt man die spanischen Edelleute«, erklärte Lady Lilywhite. »Es heißt, Kolumbus sei bald ein weltberühmter Mann.«
    »Bloß weil er ein bisschen auf dem Meer herumgeschippert ist?«
    »Du hast ja recht«, räumte Lady Lilywhite ein. »Als ich jung war, begnügten sich Könige und Königinnen damit, ihre Nachbarn zu überfallen. Heutzutage wollen sie immer gleich unbekannte Erdteile erobern. König Heinrich hat jedem Engländer, der ein noch unbekanntes Gebiet entdeckt, den Ritterschlag und obendrein ganz Cornwall versprochen.«
    Rupert lauschte gebannt. »Sir Rupert Lilywhite von Cornwall …«, sagte er leise vor sich hin. »Weltberühmter Entdecker und Intimus des Königs von England …«

    Kurz darauf stürmte Rupert ins Arbeitszimmer seines Vaters.
    »Ich habe mit dir zu reden, Vater!«, verkündete er großspurig.
    Lord Lilywhite blickte von seinem Schreibtisch auf. »Ist alles in Ordnung, Rupert? Du siehst ja aus, als hättest du gerade ein Gespenst gesehen.«
    »Danke, mir geht’s gut«, erwiderte Rupert ungehalten. »Ich habe mir bloß eben die Wangen gepudert. Das ist in Frankreich jetzt der letzte Schrei.«
    Lord Lilywhite hob die Brauen, sagte aber nichts.
    »Ich weiß jetzt endlich, was ich mal werden will«, verkündete Rupert. »Seefahrer!«
    »Das ist ja wunderbar!« Lord Lilywhite war hocherfreut. Er hatte schon befürchtet, dass sich sein Sohn nie für einen Beruf entscheiden würde. »Ich habe bei der Marine ein paar gute Freunde. Die können dafür sorgen, dass du rasch Karriere machst.«
    »Bei der Marine?« Rupert war pikiert. »Ich gehe doch nicht zur Marine! Bin ich vielleicht irgendein dahergelaufener Bauer? Ich will
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher