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Penelope Williamson

Penelope Williamson

Titel: Penelope Williamson
Autoren: Die Widerspenstige
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Ein
später Märzsturm hatte noch einmal große Mengen Schnee gebracht, aber Tyl hatte
am Morgen einen Pfad geschaufelt.
    Tyl war stolz auf das Haus. Es hatte zwei Stockwerke. Er hatte es
im vergangenen Frühjahr gebaut. Eine Woche nach der Hochzeit hatte es eine
Spendensammlung gegeben. Tyl hatte Delia geneckt und gesagt, er baue das Haus
groß genug für alle Kinder – Meg und Tildy und das Dutzend, das sie noch bekommen
würden.
    Tyl war gerade im Begriff, Tildy zu folgen, als die Tür aufgerissen
wurde, und Meg herausrannte. Das Haar hing ihr in wirren braunen Strähnen um
das Gesicht, und sie umklammerte die mehlbestäubte Schürze mit beiden Händen.
    »Dr. Tyl! Es kommt! Das Kind kommt!«
    Im ersten Augenblick stand Tyl wie erstarrt da. Er konnte sich
nicht von der Stelle rühren. Das Herz schlug ihm bis zum Hals, und er bekam
kein Luft. Er hatte schon lange aufgehört, die Kinder zu zählen, die mit seiner
Hilfe zur Welt gebracht worden waren. Aber plötzlich fürchtete er sich wie ein
junger Arzt beim ersten Mal.
    »Dr. Tyl!« rief Meg noch einmal, »schnell!«
    Er hatte es so eilig, ins Haus zu kommen, daß
er beinahe auf dem festgetretenen Schnee ausrutschte. Er schickte Meg und Tildy
zum Spielen nach oben und riß die Tür der großen Küche auf. Weiße Wolken vorn
Kuchenteig auf dem mehlbestäubten Tisch wirbelten durch die Luft. Er stolperte
über einen Besen, der mitten in der Küche auf dem Fußboden lag, und wäre
beinahe in einen Bottich voller Kupfertöpfe gefallen, die im Seifenwasser
darauf warteten, geschrubbt zu werden. In den letzten beiden Tagen erledigte
Delia wie fieberhaft alle möglichen Hausarbeiten und trieb Tyl damit beinahe
zum Wahnsinn, denn er fürchtete, sie könnte sich dabei überanstrengen oder dem
Kind schaden.
    Im Augenblick saß sie ziemlich ruhig auf einem Hocker vor dem
Feuer und fluchte wie ein Fischweib über die Knoten in der Stickarbeit, an der
sie sich seit einiger Zeit versuchte ... sie war wunderschön und
hochschwanger.
    Delia hob den Kopf und lachte über ihren Mann. »Nun werde nur
nicht nervös, Tyl. Ich habe schon genug Angst, ohne daß mein Arzt auch
noch die Nerven verliert.«
    Er ging stumm zu ihr, kniete sich neben sie und fuhr sanft mit
beiden Händen über ihren gewölbten Leib. »Wann hattest du die ersten Schmerzen?
Gerade eben?«
    Sie streichelte seinen gesenkten Kopf. »Nein, nein«, sagte sie
ruhig, »irgendwann nach dem Frühstück.«
    »Mein Gott, das war vor Stunden! Warum hast du
nichts gesagt?«
    »Ich dachte, die klumpige Grütze, die du heute morgen gemacht
hast, läge mir im Magen.«
    In Tyls Lachen lag ein Anflug von Unsicherheit. Er merkte es und versuchte, sich zu beruhigen, indem er die Zähne
so fest zusammenbiß, daß er beinahe wütend aussah. Er richtete sich auf und
küßte sie auf den Mund. »Ich habe noch nie im Leben die Nerven verloren«,
erklärte er und hoffte, Delia werde nicht sehen, wie seine Hände zitterten.
»Das passiert nur Frauen.«
    »Hm. Ihr Männer glaubt ...« Plötzlich verzog sie vor Schmerz das
Gesicht, und ihr ganzer Körper verkrampfte sich.
    »O Gott!« stöhnte Tyl. Er hatte das Gefühl, sein Leib habe sich
aus Mitgefühl ebenfalls verkrampft.
    »Das war eine starke Wehe«, sagte Delia keuchend einen Augenblick
später.
    Er strich ihr die Haare aus der schweißnassen Stirn. »Das ist gut,
Delia. Du darfst nicht dagegen ankämpfen.« Er lächelte unsicher. »Überlaß das
mir, ich kämpfe für uns beide.«
    Er stützte sie und führte sie in das Zimmer, das er im Erdgeschoß
vorbereitet hatte. Dort half er ihr beim Ausziehen und setzte sie in den
Geburtsstuhl. Er untersuchte sie und sah, daß es nicht mehr lange dauern würde.
    Die Wehen kamen jetzt in regelmäßigen Abständen alle paar Minuten.
Delia schnappte jedesmal nach Luft und spannte alle Muskeln an. Tyl wünschte,
er könnte das Kind an ihrer Stelle bekommen. Er fand die Schmerzen schrecklich,
die Frauen leiden mußten, um ihre Kinder in die Welt zu bringen.
    »Warum schreist du nicht einfach?« sagte er und setzte sich neben
sie. Er griff nach ihrer verkrampften Hand und küßte die weiß hervortretenden
Knöchel.
    Delia schüttelte tapfer und entschlossen den Kopf und biß sich auf
die Unterlippe, als die nächste Wehe einsetzte.
    Ich werde sie nicht verlieren, schwor er sich, um sein heftig klopfendes
Herz zu beruhigen. Sie ist gesund und stark. Jeden Tag bekommen Frauen Kinder.
Ich werde sie nicht verlieren.
    »Ich liebe dich«, sagte er.
    Mit
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