Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Penelope Williamson

Penelope Williamson

Titel: Penelope Williamson
Autoren: Die Widerspenstige
Vom Netzwerk:
unter dem
Schmalztopf versteckt. Er hatte das Versteck natürlich mit dem unfehlbaren
Instinkt entdeckt, auf den er sich stets verlassen konnte, wenn ihn der Durst
überkam. Aber diesmal hätten selbst Sixpence nicht gereicht, um den Durst mit
billigem Bier zu löschen. So war das eben. Wenn der Durst ihn trieb, dann mußte
er trinken, bis er den Verstand verlor. Als kein Bier mehr da war, hatte er von
ihr noch mehr Geld verlangt. Aber sie hatte kein Geld, und deshalb war er immer
zorniger geworden und hatte schließlich mit der Faust auf sie eingeschlagen.
    »Sie hätten das Mädchen schon längst verheiraten sollen«, sagte
Wachtmeister Dunlop, und es klang teilnahmsvoll. »Sie braucht einen Mann, der
ihr Ordnung und Disziplin beibringt.«
    Ezra McQuaid lachte, und es klang in seinem dicken Bauch wie
dumpfes Donnergrollen. »Heißt das, Sie wollen sie haben, Sir?«
    »Ich? Bei Gott, nein! Sie ist mir viel zu wild ...«
    Die beiden Männer lachten. Dann seufzte Dunlop und sagte: »Ich muß
meine Runde drehen. Falls ich die Kleine zufällig sehe, soll ich sie dann
zurückbringen, damit sie ihre Abreibung bekommt?«
    »Dafür wäre ich Ihnen sehr dankbar, Sir. Aber wenn sie im Goldenen
Löwen arbeitet, dann lassen Sie es gut sein. Wir brauchen das Geld, wissen Sie,
und ich kann ihr die Prügel auch später geben.«
    Der Wachtmeister lachte kurz auf und spuckte noch einmal auf den
Boden. »Also dann! Auf Wiedersehen, McQuaid.«
    Die schlammbespritzten Gamaschen setzten sich in Bewegung und
verschwanden. Ein Brett über Delias Kopf knarrte, und dann hörte sie, wie der
Türriegel zugeschoben wurde.
    Delia blieb regungslos liegen. Um sie herum wurde es still. Wind
kam auf und fuhr ihr zart über das schweißnasse Gesicht. Mit der Brise kam aber
auch der Gestank von Pech und Schwefel, Tran und Rauch. Sie hörte die dumpfen
Schläge des Holzhammers aus der Küferwerkstatt nebenan.
    Delias Vater war Küfer gewesen, aber nach dem Tod seiner Frau
hatte er angefangen zu trinken.
    Warum nur kann ich ihm Mutter nicht ersetzen, dachte Delia wieder einmal
bekümmert.
    Langsam schob sie den Kopf unter dem Treppenabsatz hervor und
blickte sich wie eine Katze, die ihren Korb verläßt, vorsichtig um. Schließlich
stemmte sie die Hände in den Schlamm und glitt lautlos aus dem Versteck.
    Eine Hand griff nach unten, packte sie an den
langen, lockigen schwarzen Haaren und zerrte sie brutal auf die Füße. Delia
unterdrückte einen Schrei, als sie Ezra McQuaids Gesicht dicht vor sich sah.
    Seine Lippen verschwanden in dem schwarzen Bart. Er bleckte die
Zähne.
    »Du hast geglaubt, ich sei im Haus, was? Aber ich habe dich überlistet.
Jawohl, das habe ich! Also, wo ist das Geld?«
    »Ich habe kein Geld. Ich schwöre es bei ...«
    »Du lügst, du verdammtes, dreckiges Luder!«
    Er hielt sie noch immer bei den Haaren und schüttelte sie wie eine
räudige Katze. Dann ließ er sie los, holte aber gleichzeitig mit dem rechten
Arm weit aus und versetzte ihr einen Fausthieb in die Seite.
    Der Schmerz war so heftig, daß Delia der Atem stockte. Der Magen
revoltierte, während sie von der Wucht des Schlags herumgerissen wurde und
gegen das Geländer prallte. Das morsche Holz brach unter ihrem Gewicht und fiel
auf ihren Arm, den sie instinktiv ausgestreckt hatte, um sich abzustützen.
    McQuaid polterte die Stufen hinunter. Voll Entsetzen drehte sie
den Kopf und sah ihn wie gelähmt an. Für den Bruchteil einer Sekunde blickte
sie wie in Trance in seine blutunterlaufenen gelbbraunen Augen, die sie unter
den strähnigen schwarzen Haaren anfunkelten, und sie wußte, diesmal würde er
auf sie einschlagen, bis er sie umgebracht hatte.
    Verzweifelt suchte sie mit beiden Händen nach einem Halt zwischen
dem gesplitterten Holz, um sich aufzurichten. Sie wollte davonlaufen. Sie mußte
weg, weit weg. Plötzlich umklammerten ihre Finger ein Stück des zerbrochenen
Geländers. Sie sprang auf, drehte sich um, hob trotz stechender Schmerzen das
Holz hoch über den Kopf und versetzte ihrem Vater damit einen Schlag.
    Im nächsten Augenblick rannte sie die Gasse hinunter. Mit ihren
nackten Füßen rutschte und schlidderte sie im schlammigen Abwasser und auf den
Abfällen. Sie hörte seinen überraschten Schmerzensschrei, gefolgt von lautem,
zornigem Gebrüll. Delia rannte schneller, immer schneller.
    Es dauerte nicht lange, und sie erreichte den Kai. Ihre flinken
Füße berührten kaum die Planken, während sie, ohne anzuhalten, Fässern, Kisten
und ein paar
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher