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Penelope Williamson

Penelope Williamson

Titel: Penelope Williamson
Autoren: Die Widerspenstige
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einer professionellen Sachlichkeit, die er diesmal nur spielte,
sprach er mit ihr, sagte ihr, wann sie pressen und wann sie sich entspannen
sollte. Lange zwei Stunden später glitt Tyls Erstgeborener aus dem Leib seiner
Frau in seine festen Hände. Das Kind war naß vom Blut und schrie laut. Er hielt
dieses bißchen Mensch hoch, sein Kind, und betrachtete es voll Staunen
und Ehrfurcht. Eine unbeschreibliche Freude trieb ihm die Tränen in die Augen.
Zum allerersten Mal im Leben hatte Tyl das Gefühl, die wahre Bedeutung von
»Leben« zu verstehen.
    Tyl hob den Kopf und sah seine Frau an. Ihre Augen waren verschleiert
vor Schmerz, aber sie glänzten triumphierend. Er hob das Neugeborene so, daß
sie es sah. »Wir haben einen Sohn, mein Schatz, einen schönen, gesunden Sohn.«
    Delia konnte nur erschöpft lächeln. Aber ihr
Lächeln sagte alles.
    Tyl hatte Delia zu Bett gebracht, das Kind gebadet und gewickelt
und wollte es seiner Frau gerade in die Arme legen, als die Tür aufging und
zwei kleine Köpfe erschienen.
    »Wir haben ein Baby schreien hören«, flüsterte
Meg.
    Tyl lächelte stolz. »Warum kommt ihr beiden nicht herein und
begrüßt euren neuen kleinen Bruder?«
    Tildy starrte auf das Neugeborene und zog enttäuscht die Stirn in
Falten. »Aber er ist ja so klein. Wie sollen wir denn mit ihm spielen? Er ist
so faltig und blau wie eine gedörrte Pflaume.«
    Meg stieß ihrer Schwester den Ellbogen in die
Seite. »Sei doch still, Tildy. Das war nicht nett.« Aber Tyl sah an ihrem
Gesichtsausdruck, daß sie im Grunde derselben Meinung war wie ihre Schwester.
Er mußte sich auf die Lippen beißen, um nicht laut zu lachen.
    Delia winkte die Mädchen zu sich und küßte sie. »Er wird schnell
groß genug sein, um mit euch zu spielen«, sagte sie. Ihre Stimme klang noch
schwach, aber sie strahlte glücklich.
    »Und er hat ja kaum Haare«, widersprach Tildy, immer noch nicht
überzeugt. Delia und Tyl sahen sich an und lächelten.
    »Seine Haare werden wachsen wie alles andere
auch«, sagte Tyl. Er schob sie in Richtung Tür. »Warum tut ihr Mädchen mir
nicht einen Gefallen und macht uns etwas zu essen? Dann kann sich eure Mama
ausruhen. Wißt ihr, ein Kind zu bekommen ist eine schwere Arbeit.«
    Die Mädchen verschwanden widerstrebend, und
Tyl legte sich neben seine Frau auf das Bett. Ihr schlafender Sohn lag zwischen
ihnen.
    Jetzt, wo alles vorbei ist, dachte Tyl, könnte ich mindestens
einen Monat schlafen.
    Delia fuhr mit dem Finger über das kleine Gesicht und lachte leise.
»Ich sage es nicht gern, Tyl, aber irgendwie sieht er tatsächlich wie eine
gedörrte Pflaume aus.«
    »Er ist schön«, widersprach Tyl.
    Sie drehte den Kopf zur Seite, blickte ihrem Mann in die Augen,
und ihr Gesicht wurde ernst.
    »Ich weiß, du hast dir ein Mädchen gewünscht.
Bist du enttäuscht?«
    »Selbstverständlich nicht. Außerdem, wenn wir
ein Dutzend Kinder bekommen, muß irgendwann auch ein Mädchen darunter sein.«
    Sie versuchte, ihn finster anzusehen, aber ihre Lippen verrieten
sie. Tyl gab ihr schnell einen Kuß.
    »Ich würde ihn gern Andrew nennen, wie Annes
Sohn«, sagte sie. »Und wir werden sie und den Oberst bitten, die Taufpaten zu
sein.«
    Tyl lächelte zustimmend. »Und nächstes Jahr gehen wir mit ihm ins
Dorf und stellen ihn seinem Großvater vor.«
    »O ja, Tyl! Assacumbuit wird begeistert von ihm sein. Erinnerst du
dich daran, daß er dich immer wieder dazu bringen wollte, Elizabeth als zweite
Frau zu nehmen, weil er dadurch noch einen Enkel bekommen hätte?«
    Tyl dachte an seinen Vater. Assacumbuit würde sich über seinen
neuen Enkelsohn freuen und stolz auf ihn sein.
    Den ganzen Sommer und Herbst über war es immer wieder zu Kämpfen
zwischen den Abenaki und den Siedlern gekommen. Aber durch Delia hatte Tyl
Frieden gefunden, und er wußte nun, daß er immer in beide Welten gehören würde.
    Delia war so ruhig, daß er glaubte, sie schlafe. Er stützte sich
auf den Ellbogen und betrachtete das vertraute Gesicht.
    »Du meine Güte ...«, murmelte er, denn verrückterweise traten ihm
schon wieder die Tränen in die Augen.
    Delias Lippen verzogen sich zu einem Lächeln, und sie öffnete die
Augen. »Danke, Tyl«, sagte sie und gähnte dabei herzhaft.
    Sein Arm legte sich enger um sie. »Wofür? Du hattest die ganze
Arbeit.«
    »Dafür, daß du mir ein Kind geschenkt hast ... unser Kind. Und
dafür, daß du mich liebst.«
    »Ach, Delia.« Er sprach ihren Namen staunend und voll Freude aus.
Dann küßte er sie
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