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Pellkartoffeln und Popcorn

Pellkartoffeln und Popcorn

Titel: Pellkartoffeln und Popcorn
Autoren: Evelyn Sanders
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denn ohne Strom kann man nicht bügeln, und Tante Else tat das beinahe täglich. Mami hatte im Laufe der Zeit die ganze Familie in ihr Arbeitsbeschaffungsprogramm einbezogen, und das war so gekommen:
    An einem Sonntagmorgen hatte Tante Else bei geöffnetem Küchenfester Wäsche gebügelt, was zwar dem dritten Gebot widersprach, andererseits aufgrund der sonntäglichen Stromzufuhr unerläßlich war. Zwei Amerikaner schlenderten auf der Straße entlang und riefen Tante Else irgend etwas zu, was sie mit einem freundlichen Winken des Bügeleisens quittierte. Die Amis blieben stehen und sagten wieder etwas. Tante Else verstand kein Wort, antwortete in Ermangelung einschlägiger Sprachkenntnisse mit einem »Yes, okay« und bügelte weiter. Die Soldaten kämpften sich durch die Hagebutten und bauten sich vor dem Küchenfenster auf. Beide redeten gleichzeitig.
    »Reni, komm mal her! Die wollen was von mir, ich habe bloß keinen blassen Schimmer, was sie wollen.«
    Mami kam ans Fenster, palaverte eine Zeitlang mit den Zaungästen und sagte dann lachend: »Die wollen wissen, ob du für sie Hemden waschen und bügeln würdest. Aus der Wäscherei kämen die Dinger immer brettsteif gestärkt zurück, außerdem fehlten die meisten Knöpfe, und nun suchen sie eine private Waschfrau.«
    »Meinst du, ich soll das machen?«
    »Warum denn nicht? Das Waschpulver müssen sie natürlich mitbringen. Vielleicht kriegen wir dann unsere Sachen auch mal wieder richtig sauber!«
    Der Handel wurde also abgeschlossen. Die Amerikaner trabten samstags mit ihren Wäschesäcken an, kippten sie aus und holten sich den Inhalt im Laufe der kommenden Woche gewaschen, gebügelt und repariert wieder ab. Die Zahlung erfolgte in Naturalien, wobei auch gelegentliche Sonderwünsche nach Nylons oder Bohnenkaffee anstandslos erfüllt wurden. Dann fragten die äußerst zufriedenen Kunden, ob Tante Else vielleicht noch für einen Kameraden… Tante Else sagte ja. Aus einem Kameraden wurden zwei, dann drei – Omi mußte jetzt bügeln, weil Tante Else mit dem Waschen ausgelastet war –, und schließlich trat sie noch einen Teil der Kundschaft an Frau Bennich ab.
    Als die ersten olivgrünen Hemden für alle deutlich sichtbar auf dem Trockenboden hingen war sofort das Gerücht in Umlauf gesetzt worden: »Frau Heimchen geht mit einem Ami!«, eine Behauptung, der Omi mit allem Nachdruck entgegentreten mußte, aber bald hatte sich die Nachbarschaft davon überzeugen lassen, daß es sich lediglich um einen neuen und für die Bewohner der Riemeisterstraße noch recht ungewohnten Erwerbszweig handelte. Übrigens mußte auch Onkel Paul mithelfen. Er spülte die Hemden und hängte sie auf. Allerdings konnte er sich nie bereitfinden, eine von Tante Elses rüschenverzierten Küchenschürzen vorzubinden. Lieber lief er mit einem nassen Bauch herum.
    Nun stand aber der erhöhte Anfall von Bügelwäsche in krassem Gegensatz zu unserem Stromkontingent, und der Zeitpunkt war vorauszusehen, wann man uns von Amts wegen des Hahn zudrehen würde. In diesem Fall würden uns auch die sonst sehr hilfreichen Amerikaner nicht helfen können.
    »Da müßte doch irgend etwas zu drehen sein«, überlegte Onkel Paul und nahm Rücksprache mit seinem früheren Kollegen, der ebenfalls Bahnbeamter und als solcher Elektriker gewesen war.
    Was dann geschah, war verboten, eigennützig, gesetzwidrig, unmoralisch und strafbar. Man kann es nicht einmal mit der Ausrede entschuldigen, daß andere es ja auch taten. Wie sie es taten, weiß ich nicht, Onkel Paul benutzte dazu einen einfachen Nagel. Die weiteren Manipulationen sind mir auch unbekannt, über das Ergebnis hatte ich striktes Stillschweigen zu bewahren. Jedenfalls konnte die Stromzufuhr künftig so reguliert werden, daß nur die zulässige Menge über den Zähler lief.
    Als Onkel Paul eine ähnliche Konstruktion bei der Gasuhr versuchte, setzte er die gesamte Gasversorgung für die umliegenden Häuser außer Betrieb und hatte ziemlich viel Mühe, dem anrückenden städtischen Suchtrupp diese Panne einigermaßen glaubhaft zu erklären!
37
    Wer diesmal die Läuse eingeschleppt hatte, ließ sich hinterher nicht mehr feststellen, aber wenigstens kannten wir jetzt die Anzeichen und wußten die niedlichen Tierchen auch sofort zu klassifizieren. Deshalb blieben sie auch innerhalb der Familie! Allerdings konnte man sie nicht mehr als unabwendbare Kriegsfolge ansehen, denn diese Zeiten waren eigentlich vorbei. Trotzdem gab es in Zehlendorf-Mitte eine
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