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Pellkartoffeln und Popcorn

Pellkartoffeln und Popcorn

Titel: Pellkartoffeln und Popcorn
Autoren: Evelyn Sanders
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die Tüte an der Seite, so daß der Sand neben das Feuer rieselte, Omi verbrannte sich die Finger und ließ vorsichtshalber die ganze Tüte fallen, die dann fröhlich weiterqualmte, Frau Molden goß sich den Sand über die Füße… sehr zufriedenstellend waren unsere Brandbekämpfungsversuche jedenfalls nicht. Das stellte auch Frieda fest.
    »Wir werden das jede Woche wiederholen, und zwar so lange, bis es klappt. Sie können ja doch schon privat mal ein bißchen üben.«
    Später mußten wir den Umgang mit Feuerpatschen lernen, die genauso aussahen wie Omis Fliegenklatsche. Frieda unterwies uns gründlich in der Handhabung dieses Instruments, und wir sahen interessiert zu, wie sie damit auf die Gänseblümchen einschlug. »Und immer gut aufpassen, daß Sie nicht mit den Füßen im Feuer stehen.«
    »Das merken wir dann schon«, versicherte Herr Zillig beruhigend mit todernster Miene.
    Den Abschluß dieser denkwürdigen Übung bildete die Verteilung und Anprobe der Gasmasken. Als ich mir das ekelhafte stinkende Ding endlich über den Kopf gestülpt hatte, bekam ich keine Luft mehr, kriegte es aber auch nicht mehr ab. Und nur dem beherzten Eingreifen von Herrn Molden ist es zu verdanken, daß ich nicht als erstes Luftschutzopfer Berlins in die Annalen der Stadt eingegangen bin. Später stellte sich heraus, daß bei meiner Maske der Filter defekt gewesen war. Etwa sechs Wochen nach unserer ersten Luftschutzübung erschien Herr Lehmann mit mehreren Soldaten im Schlepptau und verlangte die Aushändigung der Kellerschlüssel.
    »Nu wird die Heimatfront uffjebaut. Wir kriejen Luftschutzkeller.«
    Omi stiefelte mit. Schließlich konnte man nicht wissen, ob sich nicht jemand an ihrem Eingemachten vergreifen würde.
    Einer der Soldaten – im Zivilberuf Bauingineur und den nie zu ergründenden militärischen Gepflogenheiten entsprechend der Marine zugeteilt, jetzt aber zum Sondereinsatz abgestellt – prüfte die einzelnen Keller, klopfte die Wände ab, hantierte mit Zollstock und Rechenschieber und erklärte schließlich: »Der zweite hier ist als Luftschutzraum am besten geeignet.« Das war der Keller von Herrn Jäger, vollgestopft mit alten Möbeln, Matratzen, zwei Regalen voller Weckgläser und 30 Zentner Briketts.
    »Das Zeug muß alles raus. Kohlen und Vorräte können auf andere Räume verteilt werden, und der ganze Krempel da hinten muß sowieso weg, der bedeutet erhöhte Brandgefahr.«
    Frau Jäger hatte sich inzwischen auch in den Keller bemüht und zuckte unter den diktatorischen Anweisungen betreten zusammen. »Was wird bloß mein Mann dazu sagen?« flüsterte sie entsetzt.
    Herr Jäger sagte nichts; aber er bekam einen Tobsuchtsanfall. Wir hörten ihn abends herumbrüllen, dann knallte die Wohnungstür ins Schloß, er stürmte aus dem Haus, war kurz darauf wieder zurück, zerrte Herrn Lehmann in den Keller, der aber gleich wieder die Flucht ergriff; Herr Bentin wurde geholt – inzwischen standen sämtliche Wohnungstüren offen! – der brüllte mit, und dann schickte man mich leider ins Bett.
    Am nächsten Morgen hing an Herrn Jägers Kellertür ein massives Vorhängeschloß. Zwei Tage später wurde es wieder entfernt. Schwergewichtige Männer schleppten Möbel auf die Straße und Kohlen in Ingersens Keller – denn dort war noch am meisten Platz –, und schließlich erschien ein Baubataillon, das die Kellerräume ›bombensicher‹ machte. Zu diesem Zweck wurden Holzbalken auf dem Zementboden verankert und an der Decke verkeilt.
    »Hält denn das nun wirklich, wenn hier mal eine Bombe fällt?« erkundigte sich Omi zweifelnd, während sie die uniformierten Pioniere großzügig mit Bohnensuppe und selbsteingelegten Delikateßgurken versorgte.
    »Natürlich hält det nich«, versicherte ihr einer dieser Gemütsmenschen, um dann fachmännisch zu erklären: »Sehn Se mal, Muttchen, diese Häuser hier klappen doch zusammen wie Streichholzschachteln. Wir könn bloß hoffen, det wenigstens die Kellerdecke hält, bis man Sie rausjebuddelt hat.«
    Sehr beruhigend klang das nun gerade nicht, und Omi überlegte ernsthaft, ob sie bei eventuellen Luftangriffen nicht lieber in der Wohnung bleiben sollte. Immerhin gab es dort eine Decke weniger, die ihr auf den Kopf fallen konnte.
    Unseren eigenen Keller deklarierte man als Ausweichquartier. Er kriegte Luftschutzbetten, doppel stöckig, damit Kinder und Kranke der Ruhe pflegen könnten. Da in unserem Wohnblock jeweils zwei Häuser durch einen breiten Kellergang miteinander
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