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Peetz, Monika

Peetz, Monika

Titel: Peetz, Monika
Autoren: Die Dienstagsfrauen
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Und das Unmögliche gleich dazu.
    »Unsinn.
Der Katholizismus verzeiht alles. Das beruhigt ungemein«, hätte Arne entgegnet.
    Judith
führte diesen unablässigen inneren Dialog mit ihrem verstorbenen Mann. Immer
wieder dachte sie darüber nach, wie sie nicht an Arne denken konnte. Wenigstens
für eine Stunde oder nur fünf Minuten.
    »Ich
glaube«, hob Judith wieder an, »ich finde erst Ruhe, wenn ich seinen Weg zu
Ende gegangen bin. Arnes Tagebuch muss einen Schluss bekommen.« Sie versuchte
noch einmal, sich ihren Freundinnen begreiflich zu machen. Aber wie sollten die
Dienstagsfrauen Judiths Probleme verstehen? Judith hatte nie gewagt, jemandem
von ihren Schuldgefühlen zu erzählen. Und von manch anderem, das sie quälte.
    Caroline
probierte, Judiths Worte zu deuten. »Du willst nach Lourdes pilgern?«
    Judith
nickte: »Auf demselben Weg, den Arne gegangen ist.«
    »Wie
funktioniert das eigentlich? Geht man beim Pilgern zu Fuß oder muss man auf
Knien rutschen?«, fragte Estelle und kassierte dafür postwendend einen
energischen Tritt gegen das Schienbein. Diskretion allerdings war Estelles
Sache nicht: »Du brauchst mich nicht zu treten, Eva. Das ist eine berechtigte
Frage. Oder etwa nicht? Judith?«
    Judith
ging nicht auf die anarchische Bemerkung von Estelle ein: »Es ist meine Art,
Abschied zu nehmen, das Kapitel Arne zu vollenden. Ich muss nur noch, ich weiß
nur noch nicht ...«
    Sie hatte
sich vorgenommen, tapfer zu sein. Doch die Tränen rannen unaufhörlich über
ihre Wangen. Judiths Hände zitterten, als sie nach ihrem Glas griff Es fiel um.
Der Rotwein breitete sich über den Tisch aus wie eine Blutlache.
     
    »Ich komme
mit. Ich begleite dich.« Caroline hatte blitzschnell eine Entscheidung gefällt.
»Meinst du, ich lasse dich alleine durch die Wildnis laufen? So wie du
beieinander bist?«
    Judith war
so überrascht von dieser Wendung, dass sie aufhörte zu weinen. »Das würdest du
für mich tun?«
    Caroline
nickte. Sie kannte die Freundin nur zu gut. Judith, die Zauderin und
Zweiflerin, lebte ins Unreine, Provisorische, begann mal dies und mal das und
seit dem Tod von Arne nichts mehr. Pilgern, Katholizismus, Marienverehrung,
Wunderheilungen: Alles Quatsch, fand Caroline. Und trotzdem würde sie dafür
sorgen, dass Judith ihre Idee in die Tat umsetzte. Probleme hat man nicht, die
löst man. Wenn es sein muss mit Pilgern.
    »Ich bin
auch dabei«, schloss Kiki sich an. Sie ahnte, dass das eine Schnapsidee war.
Aber manchmal musste man zu radikalen Maßnahmen greifen, um etwas zu erreichen:
»Vielleicht kann man in der Grotte nicht nur um Heilung bitten, sondern auch
um einen netten Mann. Ich bin kurz davor, eine Katze anzuschaffen, der ich
Petersilie aufs Katzenfutter legen kann.«
    Die
Freundinnen lachten. Sie wussten es besser: Das Problem war eher, dass Kiki
sich nicht festlegen konnte und wollte. Bewerber gab es genug, fremde Betten
auch. Doch länger als ein paar Monate blieb Kiki nie.
    Die
Anteilnahme der Freundinnen erwärmte Judiths Herz. Sie fühlte sich ein Stück
weit getröstet. Carolines Augen wanderten zu Estelle. »Noch jemand?«
    Estelle
vermied jeden Blickkontakt. Du meine Güte. Pilgern. Sie engagierte selbst für
ihren Pudel den Hundeausführservice. Wozu neunzig Minuten am Rhein flanieren,
wenn man in derselben Zeit nach London zum Shoppen fliegen konnte? Statt eine
Antwort zu geben, unterzog sie die Weinflaschen einer ausführlichen Inspektion.
Das auch noch. Waren die denn alle leer?
    Schüchtern
hob Eva die Hand: »Wenn alle anderen einverstanden sind, bin ich es auch. Ich
sollte sowieso mehr Sport treiben.«
    Zum
hundertsten Mal zog sie den zu eng gewordenen Pullover über ihre unübersehbaren
Rundungen, nur um in der nächsten Sekunde ein Stück Fleisch von Carolines
Teller zu mopsen. Typisch Eva. Erst aß sie nur Salat und am Ende alle Reste.
Die schlechte Angewohnheit, die sie auch zu Hause auslebte, hatte ihr im Lauf der
Jahre zehn Kilo Übergewicht und ein chronisch schlechtes Gewissen eingebracht.
Morgen würde sie ganz bestimmt mit der Ananas-Diät beginnen. Und weil es heute
sowieso schon egal war, machte sie auch dem restlichen in Estragonschaum
badenden Hummer den Garaus.
    Estelle
wedelte mit der Weinkarte. Eigentlich wollte sie nur Tom, den Kellner, auf sich
aufmerksam machen. Für Caroline reichte das als positives Votum: »Estelle ist
auch dabei. Einstimmig angenommen. Die Dienstagsfrauen pilgern nach Lourdes.«
    »Wie
bitte?« Estelles Gesicht erbleichte unter
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