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Peetz, Monika

Peetz, Monika

Titel: Peetz, Monika
Autoren: Die Dienstagsfrauen
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Eva fast geantwortet. Doch Anna, ihre Jüngste, mit der Eva
ein ganz besonderes Band hatte, sprang ihr unerwartet bei: »Von mir aus darfst
du pilgern, Mama. Mir macht es nichts aus, wenn ich die Einzige bin, die beim
Mutter-Kind-Backen alleine bleibt. Ehrlich.« Zärtlich schlang die Neunjährige
ihre Kinderarme um den Hals der Mutter.
     
    Als
Caroline Eva abholte, fühlte die vierfache Mutter sich tödlich erschöpft. Und
das noch bevor sie auch nur einen Zentimeter auf der Pilgerstrecke zurückgelegt
hatte.
    »Vielleicht
kann ich den Flug umbuchen und nachkommen.«
    »Eva,
irgendwas ist immer. Davids Tennisturnier, das Konzert von Lene,
Vorstandssitzung ...«
    »Mutter-Kind-Backen!
Stell dir vor, was passiert, wenn Frido mitten in der Vorstandssitzung geht.
Weil er in der Schule Marmorkuchen backen muss.« Eva klang aufrichtig
verzweifelt. Carolines Mitleid hielt sich in Grenzen.
    »Willst du
die Wahrheit hören, Eva? Du hast deine Lieben in jahrelanger Arbeit so
abgerichtet, dass sie nicht einmal die eigenen Socken erkennen.«
    Eva
wusste, dass Caroline recht hatte. Und trotzdem kam sie sich egoistisch vor.
    »Frido
wird das großartig machen, Eva. Er wird sich in der Servicewüste, die du
hinterlässt, schon zurechtfinden.«
    »Wenn du
meinst?«
    Caroline
seufzte tief auf. Jedes Jahr dasselbe. Erst diskutierten die Dienstagsfrauen
ewig, bevor sie sich auf einen Ort und ein Datum einigten. Und dann überlegten
es sich Eva, Kiki und Judith wieder anders.
    »Zu viel
zu tun.«
    »Ich
schaffe es nicht wegzukommen.«
    »Tut mir
leid.«
    Caroline
kannte diese Texte auswendig. Es war immer eine Staatsaktion, bis es wirklich
losgehen konnte. Wenn es denn losging.
    Zuvor
musste jedes Kind ausführlich geherzt und geküsst werden, dann der Mann, dann
noch einmal die Kinder. Erst wenn die Familie am Gartentor Aufstellung nahm zum
vereinten Winken, war der entscheidende Schritt geschafft. Caroline atmete
durch. Eine der Dienstagsfrauen hatte sie im Auto. Jetzt noch die anderen drei.
     
    9
     
    Die
Einzige außer Caroline, die sich nicht fragte, ob sie zu Hause bleiben sollte,
war Estelle. »Pilgern ist das neue Schwarz«, erklärte sie ihrem Mann voll Überzeugung.
»Soll ich die Einzige sein, die unerleuchtet bleibt?«
    Estelle
hatte ein anderes Problem: Fünfundzwanzig Quadratmeter Kleiderschrank und
nichts anzuziehen. Nachdem sie sich vom ersten Schreck erholt hatte, schritt
sie umgehend zur Tat. Bei Estelle hieß das, sie rief jemanden an, der ihr die
Aufgabe abnahm.
    Zwei
Stunden später fand sich ihr sortimentskundiger Personal Shopper, ihr Pi-Ess,
im noblen Hahnwald ein. Estelle wohnte in einer Straße, in der es keine Häuser,
sondern nur Anwesen gab. Die Einrichtung der Villa war so übertrieben wie
Estelle. Ein bisschen schwülstig, ein bisschen überladen, ein bisschen zu viel
Gold und Medusa. Sie stand nun mal auf Chichi: auf Statuen, Kordeln, Troddeln,
Zierkissen und glänzende Versace-Muster auf Desserttellern und Bettdecken.
    »Ich habe
alles meinem Vater zu verdanken«, erklärte Estelle gerne. »Die Nase fürs Geld
und den Sinn fürs Ausgeben.« Estelle hatte ihren Vater Willi vergöttert. Der
Flüchtling aus Ostpreußen hatte nach dem Krieg als Schrotthändler ein Vermögen
gemacht. Unter Lebensgefahr hatte er in der zerbombten Domstadt die in den
Trümmerhaufen herumliegenden Eisenteile, Träger und Schienen aufgelesen, um sie
der Wiederverwertung zuzuführen. Sammeln, identifizieren, sortieren,
aufbereiten, das war sein Lebenscredo gewesen. Estelle erweiterte es um die
Komponente: Zeig, was du hast. Was nutzte es, reich zu sein, wenn niemand es
sah?
    »Wir
brauchen einen Look«, verkündete der Pi-Ess, noch bevor die Haustür ins Schloss
gefallen war, »der dem angestaubten Pfadfinderimage von Pilgerfahrten einen
ironischen Twist gibt.« Ihr Pi-Ess kannte Estelles Vorlieben. Wann immer große
gesellschaftliche Anlässe anstanden, sprang er ihr eilig zur Seite. Mit einem
passenden Outfit für das kontemplative Begehen jahrhundertealter Pilgerpfade
war er allerdings überfordert. Aber das würde er nie zugeben: In Zeiten der
Kreditkrise konnte er sich nicht leisten, eine seiner treuesten Kundinnen zu
verlieren. Auf die Idee, dass man in einem Sporthaus in der Abteilung »Wandern«
fündig werden könnte, kam keiner von beiden. »Ich habe einen Ruf zu verlieren,
Schatz!«, lispelte der Pi-Ess aufgeregt und machte sich auf die Suche.
     
    Am Tag der
Abreise konnten die Freundinnen das Ergebnis seiner
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