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Pedro Juan Gutiérrez

Pedro Juan Gutiérrez

Titel: Pedro Juan Gutiérrez
Autoren: Schmutzige Havanna Trilogie
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Arzt, das sieht mir nach einer Infektion aus.«
    In der Nacht kam Santico nicht. Sie sah ihn in der Ferne zwischen den Schlingpflanzen der Berge. Er wich ihr aus und zeigte ihr nicht sein Gesicht. Sie stand nackt auf einer Lichtung, am Fuße eines Ceiba-Baumes. Santico kreiste um ihn herum, kam aber nicht näher. Er zeigte ihr seinen schönen, aufgerichteten Phallus und verschwand dann lachend in den Büschen. Danach wanderte sie die ganze Nacht umher. Es war feucht und kalt, bis neblig der Morgen anbrach, und sie war nackt, barfuß, wunderschön mit ihrem offenen Haar, aber erschöpft von all dem Umherwandern, die Haut aufgerissen von Dornenbüschen. Danais wusste, dass sie allein war, sich in den Bergen verirrt hatte. Am nächsten Tag konnte sie kaum stehen. Sie war müde und die Infektion hatte sich verschlimmert. Ihre Haut war irritiert und spannte, und die Risse brannten. Sie war immer eine wunderschöne Mulattin gewesen mit dunkelzimt-farbener Haut, doch jetzt war sie kaputt mit Rändern unter den Augen, hatte sich in nur wenigen Tagen völlig verausgabt. Santicos Mutter war sehr erschrocken. Nicht umsonst war sie so alt geworden, sie hatte viele Dinge in ihrem Leben gesehen. »Nein, Danais, du gehst nicht ins Krankenhaus, du kommst mit mir.«
    Im Zimmer nebenan wohnte Romulo, ein Santería-Priester von fünfundsechzig, ein gelehrter und weiser Mann, keiner dieser jungen Aufschneider, die von nichts Ahnung haben, aber dreist genug sind, naive Leute zum Narren zu halten und ihnen das Geld aus der Tasche zu ziehen. Romulo genoss großen Respekt. Als er die beiden kommen sah, begrüßte er sie.
    »Ich wusste, dass ihr kommen würdet. Aber ihr habt zu lange gewartet. Warum hast du sie nicht schon früher zu mir gebracht? Du müsstest es eigentlich wissen, du bist keine zwanzig mehr.«
    »Romulo, aber deine Behandlungen sind teuer, und ich dachte...«
    »Alles Gute hat seinen Preis. Mal sehen, was ich tun kann. Kommt hier herüber.«
    Hinter einer spanischen Wand hatte Romulo seine Santos. Die drei setzten sich auf den Boden. Er legte die Karte von Ifä in die Mitte, dann warf er wortlos die Kaurimuscheln. Bedächtig warf er sie ein zweites Mal, dann noch ein drittes Mal, tief in Gedanken versunken, wortlos. »Nichts mehr zu machen. Bring sie zum Arzt, vielleicht kann er noch etwas für sie tun.«
    »Um Himmels willen, Romulo...«
    »Hab keine Angst, bete für sie. Bring sie zum Arzt, ich kann nichts mehr machen.«
    Danais verstand nicht, was vor sich ging. Sie war zu jung, um zu verstehen, wusste noch nicht viel vom Leben. San-tico hatte sich in sie verliebt und sie vom Land hoch in den Bergen geholt, wo sie mit ihren Eltern und acht Geschwistern in einer Holzhütte inmitten verwahrloster Kaffeefelder lebte. Sie war zu der Zeit achtzehn. Seit neun Jahren war sie nicht mehr zur Schule gegangen, und ihre einzige Beschäftigung bestand darin, bei den Ernten Kaffee zu pflücken, zusammen mit ihren Eltern und Geschwistern, die geblieben waren. Die Jungen hatten die Berge in der Nähe von Baracoa verlassen, um woanders Arbeit zu suchen. Ihnen war zu verdanken, dass sie nicht verhungerten, im wahrsten Sinne des Wortes. Der Kaffee brachte jedes Jahr weniger ein. Als Santico sie kennen lernte, hatte sie schon seit langer Zeit keine Schuhe, keine Wäsche und keine Seife mehr, nichts. Er verliebte sich in dieses halbwilde, unschuldige Mädchen, das bereit war, den Ersten, der sie für immer von dort fortbrachte, zu lieben. Als Santico sie auf seine Weise vögelte, vehement, unablässig wie ein Sturm, unfähig, sich vier Tage lang zu beherrschen, blieb ihr der Mund offen stehen. Sie hatte Erfahrung mit drei, vier jungen Männern gehabt, aber nie in dieser Form. Sie blieb für immer gefangen im Stahlnetz dieses schönen, starken schwarzen Mannes, ein Macho wie kein anderer. Man hatte sie dazu erzogen, zu den Männern aufzuschauen, sich ihnen unterzuordnen bis zur Selbstaufgabe und ihnen zu dienen wie eine Sklavin. So war es in den Bergen schon immer Sitte gewesen und wird es für alle Zeiten bleiben.
    Danais ging mit ihm. Santico brachte sie nach Havanna und schloss sie im Zimmer der Familie ein. Dieses Mädchen aus Guantánamo war viel zu hübsch, als dass man es den Raubtieren der Stadt aussetzen durfte. Zudem war es völlig weltfremd. Naiv wie Danais war, würde ihr jeder x-Beliebige
    eine Geschichte auftischen und sie Santico abspenstig machen können. Infolgedessen durfte sie nur zusammen mit ihm ausgehen, die übrige Zeit
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