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Pedro Juan Gutiérrez

Pedro Juan Gutiérrez

Titel: Pedro Juan Gutiérrez
Autoren: Schmutzige Havanna Trilogie
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genug bekommen. Sie biss ins Kissen, streckte mir aber den Arsch entgegen und flehte, ihn ganz reinzustecken. Diese Frau ist herrlich. Keine andere kommt in Fahrt wie sie. Eine ganze Weile blieben wir so vereinigt. Als ich ihn wieder rauszog, war er mit Scheiße verschmiert, und sie ekelte sich. Ich nicht. Mein Sinn fürs Groteske war schon immer sehr ausgeprägt und stets hellwach. Sex ist nichts für Weichlinge. Sex ist ein Austausch von Flüssigkeiten, Säften, Atem und strengen Gerüchen, Urin, Samen, Scheiße, Schweiß, Mikroben, Bakterien. Oder es ist kein richtiger Sex. Wenn es nur bei Zärtlichkeiten und ätherischer Spiritualität bleibt, ist es nur eine sterile Parodie dessen, was es sein könnte, also nichts. Wir duschten und waren dann bereit für einen Kaffee und ein Schwätzchen. Sie wollte, dass ich mit ihr nach El Rincón kam. Sie hatte ein Gelübde gegenüber San Lázaro zu erfüllen und bat mich, sie am nächsten Tag zu begleiten. Sie bat mich wirklich so liebevoll, dass ich zusagte. Das Wunderbare an den kubanischen Frauen - bestimmt auch an anderen in Amerika oder Asien - ist, sie können einen so zärtlich um etwas bitten, dass man es ihnen nie abschlagen kann. Anders die Europäerinnen. Europäerinnen sind so spröde, dass sie einem jede Gelegenheit zu einem NEIN! geben. Und man fühlt sich richtig gut dabei.
    Anschließend fuhr ich nach Hause zurück. Der Nachmittag war schon kühler geworden. Ich hatte Hunger. Kein Wunder, ich hatte ja auch nur eine Tasse Tee, ein Stück Melone und einen Kaffee im Magen. Zu Hause aß ich ein Stück Brot und trank noch etwas Tee. Langsam gewöhnte ich mich an viel Neues in meinem Leben. Ich gewöhnte mich an die Armut und daran, alles zu nehmen, wie es kam. Ich übte mich darin, alle Verbissenheit abzulegen, andernfalls würde ich nicht überleben. Immer hatte mir etwas gefehlt. Immer war ich unzufrieden gewesen, wollte alles auf einmal, kämpfte hartnäckig um mehr. Jetzt musste ich lernen, dass ich nicht alles auf einmal bekam, und mich mit fast nichts zu begnügen. Aber sonst hätte ich auch nur mit meiner tragischen Sicht vom Leben weitergemacht. Insofern machte mir die Armut nicht mehr viel aus.
    Dann rief Luisa an. Sie wollte übers Wochenende kommen. Luisa ist eine Wahnsinnsfrau. Vielleicht etwas zu jung für mich. Macht nichts. Macht alles nichts. Es fing an zu regnen, es donnerte, heftige Windböen setzten ein, und die Luft war entsetzlich schwül. So ist das in der Karibik. Gerade scheint noch die Sonne, und auf einmal kommt heftiger Wind auf, es regnet, und plötzlich ist man mitten in einem Orkan. Ich brauchte ein bisschen Rum, aber das war jetzt unmöglich. Zwar hatte ich etwas Geld, aber es gab nichts zu kaufen. Ich legte mich schlafen. Ich war verschwitzt und die Laken waren schmutzig, aber ich mag meinen eigenen Körpergeruch. Er erregt mich. Und Luisa musste jeden Moment kommen. Wahrscheinlich schlief ich ein. Wenn der Wind stärker werden und das Dach abdecken sollte, war mir das egal. Alles war egal.

 
     
Erinnerungen an Zärtlichkeit
     
    Ich suchte im Radio nach guter Musik und fand einen Sender mit lateinamerikanischen Rhythmen, mit Salsa, Son und so weiter. Dann war die Musik zu Ende, und ein Kerl mit heiserer Stimme redete völlig entspannt über alles Mögliche, über seine Gören, sein Fahrrad und was er letzte Nacht so gemacht hatte. Der Kerl hatte eine Stimme, die unter die Haut ging, kernig und verdorben, als habe er nie einen Fuß aus Zentral-Havanna gesetzt. Wie einer von diesen Schwarzen, die auf dich zutreten und dir ins Ohr raunen: »He, Alter, kannste was brauchen? Ich hab genau das Richtige für dich.«
    Meine Frau und ich hörten ihm zu, und er gefiel uns. So was wie er machte im Radio niemand. Der Kerl legte gute Musik auf, erzählte ein bisschen, machte eine kleine Pause, legte die nächste Scheibe auf, und so ging's immer weiter. Keine langen Erklärungen oder zeigen, was man alles weiß. Offenbar war er ein intelligenter Schwarzer, und ich freue mich immer, wenn ich auf einen intelligenten, stolzen Schwarzen stoße und nicht auf diese anderen, die dir nicht in die Augen sehen können und so ein verdammt sklavisches Duckmäusertum an den Tag legen.
    Na, jedenfalls hörten wir ihm zu Hause immer gern zu, damals, als wir noch glücklich waren und nichts entbehrten, obwohl ich meinen Lebensunterhalt mit ungesund kriecherischem Journalismus verdiente, der mich zu allen möglichen Zugeständnissen zwang und wo mir alles
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