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Pechvogel

Pechvogel

Titel: Pechvogel
Autoren: Alexander Fuchs
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(Etepetete-aber-unsere-Kinder-dürfen-alles-Eltern) mit zwei Kindern (Schreihälse), drei Alleinlebende aus der am schnellsten wachsenden Altersgruppe im Lande (die Ü-60-Hoppser), eine ungemein attraktive Singlefrau (die aber eine Schraube locker hatte), ein Null-Bock-ALG-Empfänger (das wahrscheinlich, bis er in die Kiste geht), ein junges Pärchen (dessen Orgasmen durch das Haus hallten wie ein dauerhaftes Echo), ein Schattenmann (man bekam ihn kaum zu Gesicht, er hatte das Zeug zum Serienkiller) und Richard.
    Er wohnte im 3. Stock. Auf jeder Etage waren zwei Wohnungen, außer in der über ihm. Dort wohnte das Etepetete-Elternpaar in einer 80 m²-Wohunng. Unter ihm die Singlefrau und das Orgasmus-Pärchen.
    Richard betrat seine Wohnung und schaltete das Licht an.
    Sein Flur hatte die Größe des Innenraumes eines Fiat Cinquecento, aber ein Schuhschrank mit Spiegel fanden darin noch platz.
    Richard sah in den Spiegel und dachte: Oh Mann, siehst du heute wieder scheiße aus!
    Solche Tage würde man dem lieben Gott gerne wieder unfrei zurückschicken. Zum Glück sah Richard an den meisten Tagen der Woche nicht scheiße aus, sondern normal. Ein bis zweimal im Monat besser als normal, aber heute stand scheiße auf dem Programm. Die siebenundzwanzig Jahre, in denen er der Atmosphäre Luft entzogen und durch ungutes Essen und schlechte Verdauung den CO2-Ausstoß gesteigert und somit den Klimawandel mit eingeleitet hatte, sind ihm heute anzusehen. Zerzauste Haare. Irgendwas mit dunkelbraun oder blond, er hatte sich damit noch nicht weiter farbkünstlerisch auseinandergesetzt. Grüne Augen (zu 90 %), ein Hingucker, heute sahen sie aber aus wie tote Fische. Eine etwas zu groß gerate Nase für sein eher rundes Gesicht, aber okay, so bekam er wenigstens ausreichend Luft. Lippen und Mund, (Zitat seiner Ex-Mandy: Du küsst wie ein Tier). Man könnte das eigentlich als Beleidigung auffassen, aber sie war während sie den Satz sagte (eher gehaucht), sehr erregt. Vielleicht sogar unzurechnungsfähig. Somit gab es eigentlich keine wertende Aussage. Erster Bauchansatz, aber kein Übergewicht, darauf bestand er. Die eine Stunde Laufen im Wald, die er sich im Monat abrang, half da auch nichts. Das alles verteilte sich am Ende der Betrachtung auf 184 Zentimeter.
    Richard verließ sein Spiegelbild, weil er dachte: Den Scheiß musst du dir nicht länger ansehen.
    Nach einer Stunde hatte er sich in seinen Wohlfühlpullover geschmissen, Abendbrot erlegt (Käsebrot mit Schinken und einer Gurke im Doppelpack) und Wäsche in die Waschmaschine gestopft. Nun saß er auf seinem zerschlissenen Sofa, das er von seinen Eltern geschenkt bekommen hatte. Abgeschoben wäre wohl der bessere Ausdruck. So mussten sie es nicht auf den Müll werfen. Auf dem Müll saß nun Richard. Schon beim hinsetzten spürte man das Holzgestell durch, das unter dem schicken dunkelblau-bordeauxroten-waldgrünen-dunkelgelben-lavendel-farbenen Stoff verborgen war. Die Sitzfedern hatten sich alle ins ewige Federnnirwana verabschiedet. Alle die auf dem Sofa Platz nahmen, waren ein gefundenes Fressen für den nächsten Orthopäden.
    »Ich muss mir die nächsten Tagen nun endgültig ein neues Sofa kaufen«, flüsterte Richard vor sich hin.
    Dann überlegte er, wie schon die letzten sieben Tage, sollte er Gabi nun anrufen oder nicht?
    Er machte sich eine Ich-gebe-mein-Singledasein-auf-und-schlafe-mit-Gabi-blonde-Afro-Lockenmähne-Fleischmann-so-oft-es-geht-ähm-er-steht-Liste und eine Ich-bleibe-glücklicher-Single-ohne-Sex-und-ohne-Leidenschaft-aber-auch-weiter-vielseitig-interessiert-und-mit-allen-Gehirnzellen-die-im-Moment-vohanden-sind-weil-sie-von-Hirnverweigerin-Gabi-Fleischmann-durch-Belanglosgespräche-mit-ihr-sich-nicht-selbst-zerstört-haben-Liste.
    Es sprach deutlich mehr für Liste Nr. 2.
    Richard wählte Gabis Handynummer.
     

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    Das Telefongespräch vor einer Woche war ein voller Erfolg gewesen, dachte Richard. Erfolg ist natürlich so eine Sache. Richard wollte eigentlich gar keinen Erfolg haben. Während des Telefonats, in dem Gabi wieder so gut wie nichts Brauchbares gesagt hatte, hatten sie auch ein Treffen auf neutralen Boden vereinbart.
    Für heute.
    Vier U-Bahn-Stationen hatte Richard noch Schonzeit. Derweil machte er das, was er in der U-Bahn immer tat, sein persönliches Casting veranstalten. Welche Gestalt könnte in welchem Film mitspielen. Er hatte schon die extravagantesten Besetzungslisten zusammengecastet.
    Was bat die U-Bahn denn
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