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Pechvogel

Pechvogel

Titel: Pechvogel
Autoren: Alexander Fuchs
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heute an?
    Da war der Penner mit der Pule. Der hatte trotz der Wagonübergreifenden Fahne so einen wachen Blick, als ob er ein Agent in Undercovermission war.
    Die alte Dame mit ihren Nobelkleidchen aus der Maximilianstraße und ihrem Staubkorn kleinen Hündchen, dass sie auf dem Arm trug, könnte wunderbar die Rolle der Dame in einem alten Schwarzweißfilm aus den 40igern übernehmen, die man mit Gift im Tee um die Ecke bringen will, weil sie einen tierisch nervt.
    Oder Arnold Schwarzenegger light. Der könnte in einem Ballermovie, in dem man die Story mit der Lupe suchen musste, zuerst alle bösen Buben umnieten und dann mit der Barbie im Dschungel an der Liane seinen Brunftschrei loslassen.
    Weiter war Mr. Niceguy im Angebot. Der so cool gucken wollte wie Brad Pitt und George Clooney zusammen, aber es nicht mal auf Johnny Depps Arsch brachte.
    Einen letzten hatte sich Richard für heute noch ausgeguckt. Den Checker im ultrahippen Trainingsanzug und Silberkette um den Hals. Der alle schönen Frauen im Waggon praktisch schon als sein Eigentum betrachtete. Er zog sie mit den Augen aus und leckte ihnen mit seinem verqualmten Atem über ihre seidigen Körper. Den würde Richard in einem Drama besetzen. Er und sein Kumpel raubten eine Tankstelle aus. Um nicht zu teilen, erschießt er seinen langjährigen Kumpel während der Fahrt, aber er ist zu dumm zum Autofahren und wird von einer Streife aufgehalten. Lebenslänglich. Die Schwester des Kumpels lässt Kontakte spielen und setzt im Knast eine Gang von arischen Jungs auf ihn an. Das war’s dann.
    Mit diesen Gedanken waren die vier Stationen schnell hinter sich gebracht.
    Richard stieg aus, der Checker rempelt ihn an und maulte: »He Alter, willst’e was auf die Fresse?«
    Richard drehte sich weg und fuhr mit der Rolltreppe nach oben und dachte mit einem Lächeln an die Gang von arischen Jungs.
     
    Richard saß in dem vereinbarten Café in der Nähe des Marieplatzes und wartete. Er war extra fünf Minuten zu früh. 19 Uhr war vereinbart. Gabi kam pünktlich.
    Sie trug keinen roten Overall mehr und die Malerrolle hatte sie auch Zuhause gelassen. Sie war nun gekleidet, wie man gekleidet ist, wenn man nichts Besonders vorhat. Ein enges Top, das ihren großen Busen noch größer erscheinen ließ und das dass Speckröllchen am Bauch, das ihre Jeans wie einen Schwimmreifen herauspresste, deutlich abzeichnete. Dazu neue Sportschuhe. Ihre explodierenden Haare hatte sie mühsam zu einem Zopf gebunden, so konnte Richard das erste Mal ihr ganzes Gesicht sehen.
    Der erste Gedanke, der ihm in den Sinn kam war, massig. Ihr Kopf, ihr Gesicht war eine große Masse mit zwei kleinen, fiesen, wunderschön grün leuchtenden Augen und einem zierlichen Näschen. Ihre Lippen, waren Kusslippen, nicht zu schmal und nicht zu breit. Auch waren die Lippen das einzige in ihrem Gesicht, wovon die Schönheitsindustrie profitierte. Sie hatte einen neonpinken Lippenstift aufgetragen.
    Ihre Handtasche war so groß wie ein Shopping-Center. In den dezenten Farbtönen neonpink und grellorange. Passend zu den Lippen.
    »Hey, Richard«, strahlte Gabi ihn an.
    »Hallo, Gabi.«
    Richard stand auf und gab ihr zur Begrüßung ein Küsschen links, ein Küsschen rechts.
    Er bestellte bei der ich-schlaf-gleich-ein-Bedienung eine Cola light, für Gabi eine Heiße Schokolade.
    »Ich wollte dir nochmals sagen, dass es echt schön war, dass du dich wieder gemeldet hast«, sagte Gabi.
    »Ach«, sagte Richard verkniffen.
    »Unser Telefongespräch war wirklich toll.«
    »Es hat doch nur fünf Minuten gedauert.«
    »Das macht doch nichts. Ich fand es trotzdem toll.«
    Richard lächelte.
    Was mache ich hier?, dachte er. Das war falsch, er wollte nicht hier sein. Er wollte Gabi nicht näher kennen lernen.
    »Dann lass uns mal näher kennen lernen«, sagte sie mit einem strahlenden Lächeln.
    »Gerne, ich freue mich schon drauf«, sagte er und hätte sich dabei fast auf die Lippen gebissen.
    Gabi angelte ein frisches Päckchen Zigaretten aus ihrem Shopping-Center und zündete sich eine an. Sie blies den Rauch diesmal nicht ungefiltert in seine Lungenflügel. So wurde ihm auf der himmlischen Erdenlebenliste dieser Tag nicht in Abzug gebracht. Gabi drehte nach jedem Zug den Kopf weg.
    »Hattet ihr heute viel Tote?«, fragte sie.
    »Ähm, na ja, einen älteren Herrn. Er wurde von uns aus einer Seniorenresidenz abgeholt. Dreiundneunzig Jahre hatte er hier verweilen dürfen.«
    »Tolles Alter. Ich wäre schon froh, wenn ich ein
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