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Pechvogel

Pechvogel

Titel: Pechvogel
Autoren: Alexander Fuchs
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Melanie-Gefängnis, dachte Richard. Dieser Kerl würde ihn wahrscheinlich an ein Kreuz fesseln und mit Wachs beträufeln.
    Er war nur noch zwei Schritte von ihm entfernt.
    Was kann ich nur tun, dachte er.
    Da hörte Richard sie, Melanies Erotikhotlineschmatzstimme.
    »Hallo«, sagte sie.
    Richard fiel ein großes Bergwerk vom Herzen. Nein, das ganze Uralgebirge. Er drehte sich um und sah diese kleine verpickelte, einen stacheligen Damenbart tragende XXXXL-Ork-Frau vor sich stehen.
    Uralgebirge, ha, dachte Richard, das ist mein ganz persönlicher Meteoriteneinschlag. Das ist mein Armageddon. Mein Datearmageddon.
     

Bianca
     
    Richard wartete in einen Mantel gehüllt vor dem Gianfrancos auf sein drittes Internetdate.
    Unweigerlich musste er an sein zweites Date zurückdenken, dagegen war Saw ein kuscheliger Walt-Disney-Streifen. Zumindest für sein ameisenkotgroßes Liebesleben. Richard musste seinen Würgereiz unterdrücken und ging mit Melanie ins Kino. Sie wählte mit Fingerdeuten den Film aus, den sie sehen wollte. Eine Liebeskomödie mit vielen schönen Frauen auf dem Plakat. Eine Komödie, die für ihn ein Drama war, wenn er neben sich blickte. Er kaufte drei Karten.
    Außer ihr Hallo zu Anfang sagten beide kein weiteres Wort an diesem Abend. Nach dem Film wünschte Richard Melanie ein schönes Leben und wich dezent von ihrer Seite. Ergebnis eines Abends. Drei Kinokarten. Drei Worte (Hallo, schönes Leben). Ende.
    Nicht nur, dass diese Frau aussah wie ein Ork, nein, sie stank auch so. Nur der Sabber lief ihr nicht aus dem Mund. Aber viel schlimmer wog für Richard eigentlich die seelische Komponente. Melanie hatte ihn nach Strich und Faden betrogen. Bei dem Bild, wie er später erfuhr, handelte es sich um Melanies ehemalige beste Freundin, die sie auch nach Strich und Faden belogen hatte.
    Das Internetdaten war für Richard nahe der Grasnarbe. Der Sargdeckel, auf diese Art die Liebe seines Lebens zu finden, würde wohl heute Abend fallen, wenn die nächste Feuer-und-Flamme-Frau über ihn herfallen würde.
    Oder gab es noch eine Chance auf eine normale und ehrliche Frau, die weder mit ihrem Inneren noch mit ihrem Aussehen schwindelte?
    Bianca war pünktlich, kam aber mit dem Taxi.
    Oho, dachte Richard.
    Und schon rotierte bei ihm die erste unbequeme Frage. Warum kommt sie mit dem Taxi und nicht mit der U-Bahn?
    Es hatte einen ganz einfachen Grund. Ihr Fahrrad hatte einen Platten und mit so neuartigen Fortbewegungsmitteln wie einer U-Bahn fuhr sie nicht, da sie der Zukunft der Menschheit abträglich waren.
    Ja, wenn es weiter nichts ist, dachte Richard, dann kann das ja ein ganz schöner Abend werden.
    Am liebsten hätte er seinen Kopf gegen die Hauswand geschlagen und gehofft, dass es mit ihm zu Ende ging.
    Gianfranco begrüßte Richard mit einem breiten Grinsen und dachte wohl, dass er ein richtiger Profischwerenöter sei. Innerhalb drei Wochen schon die nächste Flamme im Feuer.
    Richard hatte seinen üblichen Tisch in einer Ecke des Lokals reserviert. Und er begab sich wie Jesus auf dem Kreuzweg zu diesem Tisch. Er folgte seiner Buße, die er an der Frauenwelt abgelten musste, da er mit dem anderen Geschlecht bisher nicht konform gegangen war. Auch wenn das gar nicht stimmte, wer interessiert sich heute noch für die Wahrheit?
    Bianca wohl auch nicht.
    Bianca, Richards dritte Interneterrungenschaft, die er am liebsten gleich wieder abgeschafft hätte. Denn es war einer der Frauen, von der er kein Foto erhalten hatte, sondern nur nach ihrer Beschreibung gegangen war.
    Richard hatte Bianca geschrieben, denn nach Ork-Melanie war ihm das Telefonieren vergangen. Bianca hatte sich in den E-Mails wie folgt beschrieben: sportlich, 170 cm groß, 65 kg, schulterlange dunkelbraune Haare.
    Für Richard hörte sich das ganz gut an. Aussehen stand bei ihm soundso nur auf Platz drei, nach Intellekt und gleichen Interessen. Aber ein kleines Mindestmaß an attraktiver Frau sollte es doch sein. Bei Bianca musste man das Wort attraktiv definieren. Männer, die mit den normalen Vorstellungen an die weibliche Figur nichts anfangen konnten, wären bei Bianca genau richtig gewesen. Bianca hatte die Körperform eines Mannes mit etwas Busen.
    Biancas Kopf war so hoch und breit wie ein Ziegelstein und auch genauso fest. Sportlich halt. Ihr Körper gestählt und kantig gerade wie ein Schweizer Bergmassiv (da übte sie gerne ihren Bergsteigeextremsport aus; geschrieben hatte Bianca Richard aber was von zwanglosem Wandern in der Natur).
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