Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Pechvogel

Pechvogel

Titel: Pechvogel
Autoren: Alexander Fuchs
Vom Netzwerk:
gefangen.
    Richard interessierte sich plötzlich für alles, was ihn an Frauen zuvor nie so interessiert hatte. Mode, Schmuck, Kosmetik, Schönheit. Zukunft. Er öffnete sich ganz neuen Themen und tat das auch noch gerne. Er wollte Melanie in sich aufsaugen.
    Richard telefonierte mit Melanie zwei Wochen lang, fast jeden Tag. Zweimal sogar die ganze Nacht durch. Er war danach fast taub, seine Ohren glühten wie heiße Kohlen auf dem Grill, in seinen Armen hatte er eine leichte Entzündung bekommen, wegen des neunstündigen Haltens eines Telefonhörers. Doch Melanies Erotikhotlineschmatzstimme zu hören und ihren Erzählungen zu lauschen, wischte das alles weg.
    Das Unausweichliche passierte.
    »Können wir uns endlich treffen?«, fragte Richard.
    Melanie wich aus, wirkte plötzlich schüchtern.
    Beim nächsten Telefonat hatte Richard sie dann aber überzeugt. Sie verabredeten sich für Samstagabend vorm Kinopalast. Es würde der erste Kinobesuch mit einer Frau nach Gabi und Drei Jahre in Island werden. Dazwischen war er nur alleine oder mit Max ins Kino gegangen. Nach der Abendvorstellung wollten beide noch gemütlich in die Blau-Weiß-Bar gehen.
    Diesen Abend würde er in die Richardsteintafeln meißeln, bevor er starb. Als den Abend, an dem eine große Liebe ihren Anfang nahm. Richard war so glücklich und voll positiver Energie, er plante schon die nächsten Abende mit Melanie.
    Samstagabend. Kinopalast. Die Entscheidung würde fallen.
    19 Uhr 30 hatten sie ausgemacht.
    Würde Melanie pünktlich sein? Nicht so wie Susanne, dachte Richard. Was würde sie für ein tolles Kleid tragen? Hochhackige Schuhe? Welche Frisur hatte sie wohl aus ihren langen blonden Haaren gezaubert? Richards Herz schlug wie wild. Wenn er sich das noch alles länger ausmalen musste, würde er tot umfallen. Hoffentlich fand sie ihn auch so attraktiv wie er sie. Darüber hatte er noch gar nicht so intensiv nachgedacht. Mist. Wenn sie jetzt auch sagte, dass er nur nett aussehe und das dass der einzige und letzte Abend für sie beide sein würde? Er bat den Liebesgott, das nicht zuzulassen. Hoffentlich würde er ihn erhören.
    19 Uhr 30.
    Sie hat ja mein Foto, dachte Richard, daher weiß sie, wie ich aussehe. Ich habe ihres, es kann nichts schief gehen. Wir werden uns finden, auch wenn immer mehr Leute um diese Zeit ins Kino drängen.
    19 Uhr 31.
    Richard sah zur Ablenkung wieder die Gestalten an, die auf ihn zukamen, an ihm vorübergingen und castete sie wieder für seine persönlichen Filme.
    Eine junge Frau, rotes, langes Kleid, bis zu den Oberschenkel geschlitzt, dazu rote Pumps, kam auf ihn zu. Sie war auch noch blond.
    War sie das? Nein.
    Ihr Gesicht wirkte derb und verlebt. Sie könnte in den Memoiren einer Hure mitspielen, sie ließ alle rein und mit jedem Rausziehen nahmen sie ein Stück ihrer Weiblichkeit und Schönheit mit.
    19 Uhr 33.
    Als Nächstes nahm Richard eine kleine (höchstens 155 cm), extrem hässliche (Pickel und Dellen im Gesicht, Damenbart, fettige Haare) und superextrem dicke Frau ins Visier. Sie war nicht nur dick, sondern sie würde in einem Flugzeug schon zwei Sitze buchen müssen. Noch dazu trug sie einen verfilzten dunkelgrünen XXXXL-Pullover und eine dunkle Jeans, die an den Nähten bereits aufzuplatzen begann. Richard schätzte sie auf Anfang vierzig. Obwohl sie wahrscheinlich nicht mal dreißig war. Ihr Aussehen war die Visitenkarte ihres Alters. Sie könnte in einem Fantasyfilm mitspielen. Etwa einen Ork aus Herr der Ringe .
    19 Uhr 35.
    Weiter nahm Richard einen schönen Mann auf seine Castingliste, der sehr einsam wirkte. Dieser wartete wohl auch auf seine Liebste.
    Hatte sie ihn versetzt?
    Der schöne Mann hatte dichte, schwarze Haare, trug einen schwarzen Anzug und ein weißes Hemd.
    Mensch Richard, dachte er, der sieht verdammt gut aus. Wenn man einen leichten Hang zum Schwulsein hat, aber trotzdem Hetero ist, könnte man es sich bei dem überlegen. Ich jetzt nicht, aber, der ist ein Burner für die Gemeinde. Könnte gut die Rolle eines Latinlover übernehmen.
    Der Latinlover sah Richard an, bemerkte dass Richard ihn eine Sekunde zu lange beobachtet hatte. Er hielt Richards Blick stand, wollte, wie es aussah, mehr.
    Ach du Scheiße, dachte Richard, vielleicht war das Melanie.
    Der Latinlover hatte seine Freundin für sich reden lassen, um Richard an sein Ufer zu ziehen.
    War das Foto das seiner Freundin?
    Der Latinlover ging auf Richard zu. Schweißperlen bildeten sich auf Richards Stirn.
    Kein rosarotes
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher