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Pechvogel

Pechvogel

Titel: Pechvogel
Autoren: Alexander Fuchs
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waren. Sie sollte gleich erkennen, dass er sich mit ihr und ihren Wünschen und Vorlieben auseinandergesetzt hatte. Der wichtigste Teil einer – vielleicht zukünftigen – Beziehung ist, sich für den anderen zu interessieren, dessen Wünsche und Vorlieben zu respektieren.
    Das Gesamtergebnis von zwölf Zeilen fand Richard als ersten Schritt ganz okay. Man hätte es sicher besser machen können, aber er war kein Profi in solchen Sachen. Arschloch wäre darin sicher besser gewesen.
    Richard schrieb zuerst nur fünf Frauen, um zu sehen, was auf ihn zukam.
    Die erste Antwort, die er erhielt, warf ihn gleich aus allen Wolken. Es war nur ein Zweizeiler. He Du Arschgesicht, Du kannst Deinen sentimentalen Dreck woanders ablullen. T.
    So wenige Wörter und trotzdem gab es für Richard dabei so viel aufzuarbeiten.
    Arschgesicht. Das hatte er noch nie von einer Frau gehört. Er war nicht ihr Typ, okay, aber trotzdem sah er noch passabel aus.
    Sentimental. Er wollte freundlich und höflich einer Fremden gegenüber auftreten und zudem auf ihre Wünsche eingehen.
    Dreck. Es waren so schöne Sätze, wirklich. Was war das nur für eine blöde Kuh!?
    Ablullen. Er dachte kurzzeitig, dass er doch falsch wäre im Internet. Wenn er in der Realität mit einer Frau gesprochen hatte, hatte noch nie eine gesagt, dass er ablulle.
    T. Groß das Maul aufreißen, aber nicht dazu stehen, das hab ich gern, dachte er. Diese Frau T., 29 Jahre, 168 cm, 65 kg, hatte Probleme. Sie hasste die Männer, hatte ein ganz anders Profil eingestellt (nicht so wie sie war, aber vielleicht gerne wäre), um diesen Schwänzen mal voll eins reinzuwürgen. Wahrscheinlich würde sie jedem Mann, der ihr schrieb, eine solche Antwort schicken.
    Richard schickte T. eine E-Mail mit der Telefonnummer und Anschrift eines Psychiaters in München. Mit den besten Wünschen auf baldige Genesung.
    Die zweite Antwort war freundlicher, aber mit dem gleichen Ergebnis. Sie fand Richards Zeilen nett (das sollten sie ja auch sein), aber er war nicht ihr Typ.
    Die dritte Antwort war ähnlich.
    Von den anderen hörte Richard einige Tage lang nichts. Dann, ein erster Achtungserfolg. Er erhielt eine E-Mail von Susanne. Mit freundlichen Zeilen, an ihn gerichtet.
    Richard und Susanne mailten sich einige Tage und machten dann ein Date aus. Er schlug das Lokal vor, weil sie neu in München war.
    Richard ballte die Fäuste, wie Boris Becker in seinen besten Zeiten. Es war ihm gelungen, über das Internet ein Date mit einer Frau zu vereinbaren. Ein absolutes Wow-Gefühl!
    Die anderen neun Frauen, die auf Richards Liste noch übrig waren, schrieben ihm alle eine E-Mail zurück.
    Zwei sagten Richard ab, weil sie schon einen neuen Partner über liebeloveamore gefunden hatten, zwei, weil er nicht ihr Typ war, drei wollten Richard zu einem Date treffen, aber noch etwas abwarten (sie wollten in Wirklichkeit abwarten, ob ihnen noch was Besseres unterkommen würde als er) und zwei waren richtig Feuer und Flamme. Auf die war Richard schon besonders gespannt.
    Ich habe Frauen erhitzt, ein gutes Gefühl, dachte Richard.
    Richard wartete weiter vorm Gianfrancos auf Susanne. Sie kam fünfzehn Minuten zu spät, aber sie kam. Immerhin.
    Als Richard sie sah, bestätigte sich dieses Wow-Gefühl, das er hatte, als er das Date mit Susanne ausgemacht hatte.
    Susanne hatte schulterlange blonde Haare mit frisch gemachten Locken. Richard sah das und roch es vor allem. Der Aprikosenduft ihrer Haare hätte ihn fast umgehauen. Susanne hatte ein weiches und feines Gesicht und sehr helle Haut, war schlank und groß.
    Äußerlich habe ich schon einen kleinen Volltreffer gelandet, dachte Richard und stellte sich schon die schönsten Dinge mit Susanne vor. Wie ein gemeinsames Leben in einer Luxusvilla in München Grünwald, vom Geld, das er nicht hatte.
    Susanne war von Dresden nach München gezogen, wegen der Liebe, sagte sie. Ihr Jetzt-Ex hatte sie aber nach sechs Monaten abserviert. Er fickte eine andere, sagte sie, und so war sie nun hier und wollte aber gar nicht hier sein.
    »Ich habe mich nur mit dir verabredet, weil du nicht so gestört geklungen hast wie der Rest, der mir geschrieben hat«, sagte Susanne gleich zu Beginn ihres Gesprächs. »Nicht dass du dir da jetzt Hoffnungen machst oder so. Ich möchte dich nach diesem Abend nicht mehr wiedersehen, auch wenn du mir sympathisch bist.«
    Danke, das saß, dachte Richard. Das waren also die Frauen aus dem Internet. Kühl wie die Winter in Russland.
    Der Abend
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