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Paxson, Diana L.

Titel: Paxson, Diana L.
Autoren: Der Zauber von Erin
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an, und ich zwang mich, ihren etwas besorgten Blick gleichmütig zu beantworten.
    Glücklicherweise hatte jemand einen Bottich hereingebracht, in dem Äpfel im Wasser schwammen, die mit dem Mund herausgeholt werden mußten, und dieses neue Spiel lenkte die anderen Mädchen ab wie ein Hase die Hunde.
    »Es wird spät«, rief Königin Mairenn. »Zeit für die jüngeren Mädchen sich schlafen zu legen!«
    Esseilte nickte stumm. Es war offensichtlich, daß sie alle Freude an diesem Abend verloren hatte. Als wir über den Hof gingen und durch den Kräutergarten, der das Frauenhaus von der Festhalle der Königin trennte, konnten wir die Männer laut singen hören.
    Esseilte blieb stehen und blickte auf die offene Tür zur Methalle. »Er ist ein Held!« sagte sie leise. Ich war mir nicht sicher, ob ihr überhaupt bewußt war, daß sie laut dachte. »Helden müssen sich in Gefahr begeben, sonst gibt es keine neuen Geschichten…«
    Über dem Bodennebel schien der Mond, der fast noch voll war. Die buckligen Hügel der Alten beobachteten alles stumm unter ihren Opfergaben. Und ist es wirklich nötig, noch weiteres Fressen für die Dichter zu beschaffen ? fragte ich mich; denn wahrlich war im Lande Erin genug Blut vergossen worden, um für ein ganzes Jahrhundert des Geschichtenerzählens Nahrung zu bieten – ganz sicher brauchten wir nicht noch mehr!
    Doch Esseilte entfernte sich bereits von mir. Im Mondlicht fiel ihr Schatten weit über die Steine des Pfades, bis ich folgte.
    ***
    In dieser Nacht schlief ich schlecht. Vielleicht lag es an dem grölenden Singen aus der Methalle, das bis zum Morgen nicht verstummt und zum Johlen geworden war und das immer wieder mit Faustschlägen auf die Tische, Schilde, ja sogar die Wände begleitet wurde; vielleicht aber auch daran, daß so viele Fremde die Halle mit uns teilten. Einige Stunden nach Mitternacht hörte ich Esseilte schluchzen. Ich blinzelte mir den Schlaf aus den Augen, da sah ich im schwachen Mondschein, daß ihr Gesicht tränennaß war. Ich umarmte sie, flüsterte ihr sinnlose Worte zur Beruhigung zu, aber sie erwachte nicht, und nach einer Weile kuschelte ich mich neben ihr in meine Decken und schlief wieder ein.
    Und obwohl ich keinen Glücksapfel unter mein Kissen gelegt hatte, träumte ich.
    Auf schiefergrauen Klippen erhob sich eine Burg über einer smaragdgrünen See – es war ein Land, das ich noch nie gesehen hatte, mit kargen Hügeln, deren niedrige Grashalme mit Gold eingefaßt zu sein schienen. Ich sah einen dunklen, schlanken Mann an einem Fenster sitzen und aufs Meer blicken. Er hatte die Augen eines Königs. Neben ihm stand ein jüngerer Mann, der auf einer kleinen Harfe spielte, und er war von so anziehendem Äußeren wie Diarmuid, der Grainnes Liebe gewonnen hatte. Da berührte der Ältere die Schulter des anderen und deutete aufs Meer; und ich sah am Horizont klein, doch unverkennbar, drei Schiffe mit bemalten irischen Segeln.
    Nunmehr veränderte sich das Bild. Ein Stier und ein Eber kämpften auf einer sandigen Insel in einer Flußmündung – nein – es waren zwei Männer… Die Sonne ging unter, die Schatten verhinderten, daß ich klar sehen konnte, doch ich hörte den Schlachtruf des Morholts. Als der andere Mann sich umdrehte, spiegelte sich ein letzter Sonnenstrahl auf seinem Schwert, und ich erkannte, daß er der Harfner war. Ich bemühte mich, besser zu sehen, wollte sie anflehen, nicht mehr weiter zu kämpfen, doch jemand hielt mich zurück…
    Mich immer noch dagegen wehrend, erwachte ich und erkannte, daß es Morgen war. Esseilte schüttelte mich und lachte.

Des Morholts Rennen
    »Esseilte, sitz still! Wie soll ich dein Haar richten, wenn du herumhüpfst wie eine Haselnuß im Feuer?« Ich zog die glänzenden Strähnen glatt und fing noch einmal zu flechten an. Ich erwartete, daß sie aufbegehren würde, doch sie verhielt sich ruhig. Nicht daß ihr Schweigen viel genutzt hätte. In der Grianan ging es zu wie in einem Bienenstock, denn die Frauen, die sich für den Samhainmarkt zurechtmachten, redeten scheinbar alle durcheinander: Sie sprachen von Bändern und Broschen, zupften den Faltenfall eines Umhangs zurecht, erkundigten sich, welcher Händler die beste Ware habe. Ich beendete Esseiltes dritten Zopf, befestigte den goldenen Apfel an seinem Ende und machte mich daran, den letzten Teil ihres Haares durchzukämmen.
    Es war ungerecht! Esseilte hatte in den Stunden der Dunkelheit mit Alpträumen gerungen, nicht ich. Doch sie war nun hellwach
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