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Paxson, Diana L.

Titel: Paxson, Diana L.
Autoren: Der Zauber von Erin
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mich auf mein Kissen auf dem Boden neben Esseilte zurücksetzte, stimmte der Harfner seine Clarsach, während Leborcham, die Sängerin, sich mit der Königin unterhielt. Sie war eine kräftige, rothaarige Frau mit einer Zunge wie ein Schwert, wenn sie auf Ungerechtigkeit stieß. Dichter gab es viele in Temair, Frauen waren jedoch wenige darunter, und noch wenigeren war die Gabe der Satire zu eigen. Frauenzunge und satirische Begabung waren eine beachtliche Verbindung. Man munkelte, daß sie dem Fürst von Dun Cannon mangelnder Gastlichkeit wegen eine Warze auf gesungen hatte. Es gab auch noch andere Geschichten über sie, die zweifellos bei der Wiedergabe nichts an Reiz verloren hatten.
    Ich hoffte jedoch, daß heute abend Leborchams besondere Fähigkeiten nicht erforderlich sein würden. Nun war leichte Unterhaltung gefragt, und ich lauschte dem behutsamen Stimmen der Clarsach und sah, wie die Bronzesaiten im Feuerschein schimmerten, wenn sie unter den geschickten Fingern des Harfners vibrierten. Endlich war er bereit. Leborcham wandte sich an die Königin.
    »Was soll ich Euch singen?«
    Die Königin schaute sich im Kreis der Damen um. Als sie sah, daß Esseilte auf ihrer Bank wie eine festgebundene Jagdhündin vor Aufregung zitterte, lächelte sie.
    »Laß sie die Sage von Grainne und Diarmuid singen, Mutter – bitte, Mutter!« Die Königin nickte. Esseilte sank auf ihre Bank zurück und drückte meine Hand.
    Der Harfner schlug den ersten Akkord an, hielt kurz inne, um noch eine Saite nachzustimmen, dann begann Leborcham:
    Cormac MacArt war der Gründer von Temair,
Über Erins Männer saß zu Gericht er als König.
Und Grainne, seine Tochter, war schön und voll Anmut,
Ihr Haar der Schwertlilie gleich und dem gelben Ginster.
    Strophe um Strophe erzählte sie, wie eine Vermählung zwischen Grainne und dem großen Kriegsführer Finn MacCumhail vereinbart wurde und wie Grainne, als sie sah, daß Finn älter als ihr Vater war, einen jüngeren Mann begehrte. Die bronzenen Saiten glitzerten im Feuerschein, während die behenden Finger des Harfners sie zupften. Die kräftigen Akkorde und musikalischen Ausschmückungen trugen die Weise.
    Wer ist der mit der süßen Stimme, der bei Oisin sitzt?
Mit den roten Wangen und dem
lockigen nachtschwarzen Haar?
Das ist Diarmuid mit dem strahlenden Angesicht,
Der die Frauen so liebt wie kein Mann auf der Welt –
    Ich lauschte mit geschlossenen Augen. Gut kannte ich die Geschichte, wußte, daß Grainne ein Schlafmittel in die Becher gegeben hatte, damit Finn und ihr Vater schlafen würden, während sie sich zu Diarmuid begab und ihm auferlegte, mit ihr durch Erin zu fliehen. Zu oft hatte ich sie bereits gehört, denn Esseilte erzählte sie immer wieder und so eifrig wie den Klatsch von gestern. Ich fragte mich, wie viele Prinzessinnen es sonst noch gab, die von einer Möglichkeit träumten, der vorbestimmten Heirat zu entgehen. Ich sah den leeren Kelch in Esseiltes Hand und dachte im stillen, ich sollte sie vielleicht nicht beneiden.
    Es war sehr warm in der Halle, und der Zug um den Berg Temair war anstrengender gewesen, als ich erwartet hatte. Ich war halb eingeschlafen, als die Geschichte endete – mit Grainnes Wehklagen über Diarmuids Leichnam. Die Stimme der Sängerin wurde immer leiser, bis schließlich nur noch die süßen Töne der Clarsach das Gespinst der alten Sage mit einem letzten Faden Harmonie beendeten.
    Esseilte schluchzte einmal laut und fuhr sich mit dem Zipfel ihrer Seidendecke über die Augen. Ich betrachtete sie aus den Augenwinkeln – sie war eine dieser beneidenswerten Frauen, die auf Wunsch zu weinen vermochten. Doch unter den dichten Sommersprossen war ihre Nase rot. Wie gut ich ihre Vorliebe für die alten Liebesgeschichten kannte! Gewiß wußte der Harfner viele, und die meisten gingen schlecht aus. Ich fragte mich, ob wir deshalb so gern traurige Geschichten hören, weil wir hoffen, es würde uns eigenen Kummer ersparen, wenn wir über den von anderen weinen.
    Doch die Königin fand offenbar, daß der Schwermut genug war, denn sie bat Leborcham, ein Reimlied anzustimmen, und jede in unserem Kreis sollte eine Strophe über eine andere in der Halle dazu dichten. Als wir das allesamt getan hatten, lachten wir nicht nur alle zu sehr und waren zu atemlos weiterzusingen, sondern auch zu aufgeregt, noch zuzuhören. Darum pflichteten wir auch Eithne sofort bei, daß es Zeit für das Samhainwahrsagen war.
    Natürlich hätten wir es alle ernster genommen, wenn
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