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Paxson, Diana L.

Titel: Paxson, Diana L.
Autoren: Der Zauber von Erin
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auf und zündete daneben Kerzen an. Das mißfiel den Priestern, doch verdammten sie es nicht mit derselben Heftigkeit wie die Blutopfer. Ich konnte nie verstehen, weshalb, denn wie die Weisen des alten Glaubens waren sie von der Unsterblichkeit der Seele überzeugt. Und wie könnte es schaden, den Schutz der Toten für ihre Nachkommen zu erflehen? Die Welt der Sterblichen und das verborgene Reich sind wie Sonnenschein und Schatten, und die Macht kommt aus dem Inneren.
    Nun bogen wir um den mächtigen Schutzwall aus getrocknetem Lehm, der des Königs Burg umgab. Unsere Füße bewegten sich im Rhythmus des Pfeifens und des raschen Schlages der Bodhrantrommeln, und es störte mich nicht mehr, daß meine dünnen Lederschuhe vom nassen Gras durchweicht waren.
    Der Zug war zu einer feurigen Schlangenlinie geworden, die zwischen den Druidensteinen und den Grabhügeln von Dali und Dorcha hindurchführte. Dann ging es abwärts, um die Frauenhäuser herum, wo der Hang steil zur Ebene abfiel. Unterhalb hielten wir aufs neue an, und diesmal nahm die Königin sich noch mehr Zeit für die Opferdarbietung, denn hier war die Stelle, wo die Krieger von Laigin an Samhain vor dreihundert Jahren alle Frauen von Temair niedergemetzelt hatten. Einige Mädchen nutzten die Gelegenheit, sich ins Frauenhaus zu stehlen, wo sie sich aufwärmen konnten. Esseilte jedoch blieb bei ihrer Mutter, und wo auch immer sie war, mußte ich ebenfalls sein.
    Schließlich setzte der Zug sich wieder in Bewegung, fort von den Häusern, zur heiligen Biegung nach rechts, um den Kreis der eingestürzten Steine herum. Im Norden bog das Tal der Boinne, dunkel und friedlich unter den vereinzelten Sternen, nach Ulaid ab. Wenn ich mich anstrengte, konnte ich die Hügel der Alten sehen, die sich buckelig gegen die Finsternis abhoben, und mir schien, als verbargen sie ein Glühen.
    Ich hielt den Atem an und berührte den nächsten Stein. Trotz der kalten Luft war er warm, und als ich meine Hand dagegen drückte, vermeinte ich ein Pochen zu spüren, vielleicht hörte ich es auch – ein tiefes, vibrierendes Summen. Gleich würde ich es erkennen – gleich würde ich verstehen…
    »Branwen, was machst du denn? Sie sprechen bereits die Gebete am Dreierhügel – komm endlich!« Esseiltes Gesicht war ein verschwommener Flecken in der Dunkelheit, aber ich kannte ihre Stimme besser als meine eigene.
    »Drück deine Hand auf den Stein, Esseilte – spürst du es?« Ich tastete nach ihren Fingern und führte sie zu dem Stein. Einen Augenblick warteten wir und lauschten unserem Atem und dem allmählich schwindenden Murmeln des Zuges. Lichter schimmerten auf der Ebene unter uns; als ich mich ganz still verhielt, sah ich plötzlich Bewegung – dahinbrausende Streitwagen, das Blitzen von Waffen, helles Haar, das im Wind flatterte, und funkelndes Lachen in leuchtenden, nichtmenschlichen Augen… Da flog eine Eule über uns hinweg, die fast zu sanft für unsere Ohren heulte. Esseilte zuckte zusammen und riß ihre Hand zurück, und ich sah nur noch schwach schimmernden Nebel auf der Ebene.
    »Oh, Branwen – da ist nichts zu spüren als die Härte des Steines! Hast du geglaubt, du hörtest die Sidhe, die dich zu den Elbenhügeln rufen? Keine Angst.« Sie hakte sich bei mir unter und zog mich mit sich. »Ich lasse nicht zu, daß sie dich verschleppen!«
    Wir näherten uns von hinten einer Gruppe Krieger, und ich hörte des Morholts Lachen. Ich wollte Esseilte daran vorbeiziehen, doch sie hielt mich in der Dunkelheit fest.
    »Wenn unser Herr uns von Laigin zurückhält, bleibt uns immer noch die britische Küste…« Es war eine junge, dünne Stimme – dem Akzent nach einer der Prinzen von Ulaid. An seinen Namen konnte ich mich nicht erinnern.
    »Wenn die Sachsen dort nicht bereits alles ausgeplündert haben – sie hatten immerhin hundert Jahre Zeit dazu!« gab ein anderer zu bedenken.
    »Die Sachsen haben die Kymren – oder Kernow – nie bezwungen…«, sagte da der Morholt. »Ihr großer König Artus ist seit vielen Jahren tot und sein Reich in armselige Königtümer aufgeteilt, während die Sachsen immer noch die Wunden lecken, die er ihnen geschlagen hat. König March ist ein großer Mann in Armorica, und er heimst all den Reichtum ein, den der Handel mit Zinn aus Kernow bringt. Seit über einer Generation hat dort kein Hochkönig mehr seinen Zehnt erhoben.«
    »Noch länger ist es her, seit die Männer von Erin dort einfielen, obgleich wir uns früher regelmäßig einen
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