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Patty Janes Frisörsalon

Patty Janes Frisörsalon

Titel: Patty Janes Frisörsalon
Autoren: Lorna Landvik
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die sie in den Aschenbecher streute. »Seine Frau wird ihn eines Tages schon erwischen«, sagte sie. »Und wenn das passiert – na, du würdest dich wundern, wie laut Männer heulen können.« Ihr Blick war auf die fuchsienrote Flüssigkeit gerichtet, die im Glasbehälter des Tropical-Punch-Automaten herumschwappte. Als sie sich mir zuwandte, machte sie ein erstauntes Gesicht.
    Â»Oh, du hast dich aber wirklich gründlich naß gemacht, hm?« Sie neigte den Kopf zur Seite und musterte eine Zone meines Körpers, die Musterung kaum gewöhnt war. »Pilot an Co-Pilot«, sagte sie, ihre Hände wie ein Megaphon um den Mund legend, »du verlierst an Höhe.«
    Â»Ach nee, gibt’s sonst was Neues, Mutter?« gab ich mit der ganzen Würde, die eine tropfnasse Zwölfjährige aufbringen konnte, zurück. Flüchtig stellte ich mir vor, ich würde den Rest des Chemiegetränks meiner Mutter über den auch nicht ganz ungepolsterten Busen kippen, aber dann nahm ich statt dessen die Rechnung und bezahlte mit dem Fünfdollarschein, den Grandma mir in die Manteltasche gesteckt hatte.
    Ich war der Liebling meiner Großmutter Ione und jahrelang der einzige Mensch, der sich mit Vergnügen die Erzählungen über ihren Sohn, meinen Vater, anhörte.
    Â»Thor entwickelte sich zu einem bildschönen Jungen«, sagte sie mit ihrem singenden norwegischen Akzent. »Ja, wirklich, die Mädchen haben ihm Blumen geschickt und Briefchen mit Siegelwachs in Herzform, und ein junges Ding hat ihm sogar Kaschmirsocken gestrickt! Du kannst es mir glauben, Thor ist bestimmt mit der Hälfte aller Frauen von Minneapolis ausgegangen und mit einem Drittel von denen in St. Paul, aber als deine Mutter auf der Bildfläche erschien, konnte er den Verlobungsring nicht schnell genug kaufen. ›Ma‹, hat er gesagt, ›nun hat mich die Liebe doch gepackt.‹«
    Â»Ja, und wie sie ihn gepackt hatte«, sagte Patty Jane nur, als sie diese Geschichte hörte.
    Ich fragte mich, wie Grandma die ständigen Beschimpfungen ertragen konnte, mit denen Patty Jane und Tante Harriet ihren Sohn überhäuften. »Stinkbombe« und »Fiesling« waren Schmähwörter, die Harriet benutzte, um Thor zu charakterisieren; Patty Jane bevorzugte Beschreibungen, die weniger mild und dafür plastischer waren; »dieses blonde Arschloch« war einer ihrer Lieblingsausdrücke. Aber Ione reagierte mit stoischer Gelassenheit. Wenn sie die Schimpftiraden hörte, zu denen ihr Sohn inspirierte, hob sich ihr kleiner runder Busen unter der weißen Baumwollschürze, und sie erklärte mir, jeder hätte sein Kreuz zu tragen und sie könnte Patty Jane wahrhaftig keinen Vorwurf daraus machen, daß sie so denke. Und dabei tätschelte sie mir die ganze Zeit die Hand, bis mir die Knöchel brannten.
    Manchmal, spät in der Nacht, wenn sie glaubten, ich schliefe, hörte ich meine Mutter und Tante Harriet darüber spekulieren, was aus meinem Vater geworden sein könnte, der die Familie nur wenige Tage vor meiner Geburt verlassen hatte. Ein- oder zweimal im Jahr schickte er, in einen kurzen, mit Maschine geschriebenen Brief eingeschlagen, einen Fünfzigdollarschein, aber die Poststempel mit den Namen von Touristenorten legten nahe, daß die Briefe aus dem Urlaub kamen und nicht aus seinem Wohnort. Harriet vermutete, er lebe in Los Angeles oder Chicago – »irgendwo, wo man untertauchen kann« –, aber Patty Jane meinte, nein, er sei nicht für die Großstadt geschaffen; er sei wahrscheinlich oben im Norden und arbeite als Führer für die Urlaubs- und Sonntagsangler an einem der Seen an der Grenze, oder er habe es vielleicht bis nach Alaska geschafft und schürfe dort nach Gold.
    Personal und Kundschaft der Flotten Locke hatten ihre eigenen Ansichten. Grimmy Bultram war überzeugt, er sei »mausetot«. Dixie Anderson, die mir meine ganze Kindheit lang die Stirnfransen schnitt, meinte, er hätte vielleicht geheiratet und eine zweite Familie gegründet »wie diese Mormonen«. Inky Kolstat wunderte sich, daß Hollywood ihn nicht entdeckt hatte. »So wie der aussieht, hätte er Rock Hudson an die Wand spielen können.«
    Das war keine Übertreibung; ich hatte die Mighty-Bites-Kartons mit seinem Konterfei darauf gesehen.
    Â»Er hatte überhaupt nicht die Absicht, Reklamemodel zu werden«, erzählte mir
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