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Patty Janes Frisörsalon

Patty Janes Frisörsalon

Titel: Patty Janes Frisörsalon
Autoren: Lorna Landvik
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die dem Fuß schmeichelten, und Harriet hatte sie in ein Schuhgeschäft gelotst, wo sie die flachen Ballerinas gekauft hatten, die jetzt ihre Füße zierten.
    Â»Ja«, sagte Patty Jane, ihre Beine im Spiegel bewundernd, »aber vorm Altar kann ich bestimmt nur dran denken, wie weh mir die Füße tun.«
    Harriet lachte, und dann flog ihre Stimme eine Tonleiter hinauf, drei Oktaven mi, mi, mi, mi, mi, mi. Zufrieden zündete sie sich eine Zigarette an und blies den Rauch zur Decke hinauf.
    Harriet hätte ebenso hübsch sein können wie Patty Jane, aber sie war dünn, so dünn, daß die Stellen, die gerundet hätten sein sollen, spitz waren; und ihr Körper hatte etwas so Sprödes, daß man den Eindruck hatte, sie brauchte nur zu gähnen, um sich einen Knochen zu brechen.
    Patty Jane tupfte ihren Lippenstift mit einem Blatt kratzigen Toilettenpapiers ab und zog das Band an ihrem Hut gerade.
    Â»Also«, sagte Harriet, ihrer beider Bilder im Spiegel musternd.
    Â»Also«, sagte Patty Jane, »dann mal ran.« Sie bot ihrer Schwester den Arm, und Treulich geführt singend sprangen sie, immer zwei Stufen auf einmal nehmend, die Treppe hinauf.
    Ione Rolvaag stand neben ihrem Sohn und bemühte sich, die Tränenflut einzudämmen, die ihre Augen überschwemmte. Sie sah sich als eine unsentimentale Person und war überrascht über die Tiefe ihrer Gefühle. »Lieber Gott, laß mich nicht quieken«, betete sie leise. Sie weinte selten, aber wenn sie es tat, dann nicht mit seelenvollem Schluchzen, sondern mit dünnem Affengefiepe, das ihr peinlich war, da es die Bedeutung dessen, was sie zum Weinen gebracht hatte, minderte. Sie schniefte diskret in ihr Taschentuch und dachte an ihre eigene Hochzeit mit Olaf Rolvaag im Jahre 1929. Sie hatte in der Küstenstadt Stavanger in Norwegen stattgefunden, und es war eine wunderbare Feier gewesen bis auf den Moment, als die Organistin, die ihr Lampenfieber gern mit einer großzügigen Dosis Schnaps dämpfte, vom Klavierschemel fiel und der versammelten Gemeinde mehr enthüllte, als ihr lieb war.
    1930 waren Ione und Olaf nach Minneapolis ausgewandert, und Thor war ein Jahr später zur Welt gekommen. Ione glaubte, der Glückstroll, den ihre Mutter ihr in die »neue Heimat« mitgegeben hatte, täte seine Wirkung, bis sie sich plötzlich, mit dreiunddreißig Jahren, in den Witwenstand versetzt fand, nachdem Olaf beim Softballspielen von einer Straßenbahn überfahren worden war. Seine Mannschaftskameraden, alle Kollegen bei der Frisch-und-Rein-Molkerei, berichteten Ione, er sei einem Ball nachgelaufen, den Mig Coughlin, auch »Der Eisenarm« genannt, geschlagen hatte, und dabei, den Arm mit dem Fängerhandschuh hoch in die Luft gestreckt, rückwärts über die Straße direkt in eine westlich fahrende Straßenbahn gerannt. Der Ball wurde unweit seines Handschuhs gefunden und dem sechsjährigen Thor als Andenken geschenkt. Später wurde Olaf postum zum Ehrenpräsidenten des Frisch-und-Rein-Sportvereins ernannt, und Ione erhielt eine Einladung zum Festbankett, aber genug, sagte sie, sei genug.
    Schniefend zwang sich Ione, ihre Konzentration auf das Brautpaar vor dem Altar zu richten. Thor und Patty Jane waren ein schönes Paar. Ione wollte sich ja nicht selbst beweihräuchern, aber sie konnte nicht leugnen, daß Skandinavier mit Schönheit begabt zu sein schienen – vor allem die Norweger und Schweden natürlich; nach Süden hinunter, in Richtung Dänemark, traf man dann immer häufiger auf schiefe Zähne und rotblonde Augenbrauen.
    Â»Nach Italien mußt du gehen«, hatte Olaf zu ihr gesagt. »Da findet man die wahren Engel Gottes. Die Italiener könnten allein schon dafür Eintritt verlangen, daß sie den Touristen erlauben, sie anzusehen.«
    Olaf war, noch nicht einmal zwanzig, bei der norwegischen Marine gewesen und hatte jeden Kontinent gesehen. Neiderfüllt hatte Ione sich seine Reiseberichte angehört und sich geschworen, daß eines Tages auch sie die Welt bereisen würde, und zwar bestimmt nicht in Schlaghosen und mit einem weißen Schiffchen auf dem Kopf.
    Vielleicht jetzt, dachte sie, während am Altar ihr Sohn »Ja« sagte. Vielleicht bin jetzt ich an der Reihe. Vielleicht lasse ich mir gleich morgen ein Paßfoto machen.
    Thor schob den Ring – im Juweliergeschäft Zimmermann gekauft und bar
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