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Patty Janes Frisörsalon

Patty Janes Frisörsalon

Titel: Patty Janes Frisörsalon
Autoren: Lorna Landvik
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Fluchen nicht ausstehen.«
    Â»Scheiße«, sagte Patty Jane ehrlich verwirrt. »Hab ich eine anzügliche Geschichte erzählt?« Sie schob sich die braunen Locken aus der Stirn. »Und geflucht hab ich auch?«
    Thor nickte bedrückt. Die Verletztheit und Verwirrung im Gesicht seiner Frau taten ihm weh.
    Â»Ja, aber warum hat sie denn nichts gesagt?« fragte Patty Jane.
    Thor zuckte die Achseln. »Das ist nicht ihre Art. Wenn sie etwas stört, sagt sie gar nichts; sie geht einfach.«
    Als Ione wieder an den Tisch zurückkehrte und sich ein paar Scheiben frischer Tomate nahm, als wäre nichts geschehen, hätte Thor sie am liebsten geschüttelt und gebrüllt, bring meine Frau ja nie wieder in solche Verlegenheit. Aber Ione hatte ihn gewissenhaft erzogen; er war zu strikter Beachtung des elften Gebots der Norweger angehalten worden: Vermeide jede Konfrontation. Inspiriert von Patty Jane hatte er mit großer Anstrengung begonnen, es zu brechen. Er räusperte sich. »Ma, Patty Jane möchte wissen, warum du –«
    Â»Ach, du bist eine wunderbare Schwiegermutter!« rief Patty Jane, von ihrem Stuhl aufspringend. Sie rannte zu Ione und kniete neben ihr nieder. »Was ich sagen wollte, Ione, ich meine, ich wollte nicht sagen, daß du keine nette Schwiegermutter bist. Bestimmt nicht.« Sie sah Thor ratlos an. »Aber ich wollte sagen, daß es mir leid tut, wenn meine Geschichte dich beleidigt hat.«
    Thor sah, wie seine Mutter errötete – die Neigung zu erröten war solch ein Unglück für Menschen, die es vorzogen, ihre Gefühle zu verbergen –, und er genoß ihr Unbehagen.
    Â»Ich will versuchen, darauf zu achten, was ich sage«, beteuerte Patty Jane und krauste in angestrengtem Nachdenken die Stirn. Sie klopfte mit ihren Fingern an ihre Wange, dann schnalzte sie mit ihnen. »Ich weiß! Jedesmal, wenn ich ›Scheiße‹ oder ›verdammt‹ sage, zahle ich dir einen Vierteldollar.«
    Ione zuckte zusammen, und Thor lachte.
    Â»Hoppla«, sagte Patty Jane, »das wären schon die ersten fünfzig Cents.« Sie ging zum Schrank und wühlte im Marmeladenglas mit dem Kleingeld, bis sie zwei Vierteldollarstücke fand. Die legte sie triumphierend neben Iones Teller.
    Â»Nein, behalt das Geld«, sagte Ione, die wünschte, sie wäre sonstwo, nur nicht am Tisch ihrer Schwiegertochter. »Ich brauche es nicht.«
    Patty Jane, die mit ihrem Vorsatz sehr zufrieden war, setzte sich und schnitt eine dicke Scheibe Roggenbrot ab. »Ich weiß, daß du’s nicht brauchst«, sagte sie, »aber es geht ums Prinzip. Ich bezahle jedesmal, wenn ich fluche« – sie zwinkerte ihrem Mann zu – »und entweder gehen wir pleite, oder ich rede am Ende wie Mamie Eisenhower.«
    Â»Na, dann kannst du dein Sparbuch vergessen«, sagte Harriet, während sie Sahne in ihren Kaffee rührte.
    Â»Danke«, versetzte Patty Jane mit einem Anflug von Gekränktheit im Ton.
    Â»Du mußt die Dinge sehen, wie sie sind, Patty Jane. Du hast nun mal ein freches Mundwerk, und es gehört zu dir. Es ist genau wie ein Muttermal oder ein Haarwirbel oder so was.« Sie zündete sich eine Zigarette an, und ganz überraschend überkam Patty Jane eine Welle von Übelkeit.
    Â»Ich kann mich ändern«, sagte sie und schluckte krampfhaft.
    Harriet trank von ihrem Kaffee. Über den Rand der Tasse hinweg sah sie Patty Jane an. »Dein Wort in Gottes Ohr.«
    Â»Ich kann mich ändern«, war ein Refrain, der, bettelnd oder drohend vorgebracht, in der Familie Dobbin Tradition hatte. In ewiger Wiederkehr hatten ihn die Schwestern von ihrem Vater, Elmo, und ihrer Mutter, Anna, zu hören bekommen, deren wettkämpferisches Bemühen, einander im Alkoholkonsum zu übertrumpfen, meist in einem toten Rennen geendet hatte – beide besinnungslos hingestreckt im schäbigen Wohnzimmer. Keiner von beiden änderte sich – jedenfalls nicht im positiven Sinn. Elmo starb an Leberzirrhose, und Anna wäre es ebenso ergangen, hätte nicht vorher, vier Monate nach Elmos Tod, ihr Herz versagt. Patty Jane war sechzehn gewesen, Harriet fünfzehn, und sie lebten im Jahr vor Patty Janes High-School-Abschluß bei ihrer Tante Louise, Elmos Schwester. Sie bot den Mädchen ein Dach über dem Kopf, drei Mahlzeiten am Tag und so viele Ausgaben des Wachtturm , wie sie nur lesen konnten.
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