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Patty Janes Frisörsalon

Patty Janes Frisörsalon

Titel: Patty Janes Frisörsalon
Autoren: Lorna Landvik
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Harriets dünnen Arm, der auf der Rückenlehne lag. »Du darfst nicht sterben! Bitte, du darfst nicht sterben!«
    Reese fuhr auf den Parkplatz am Großen Strand, der groß nur genannt wurde im Vergleich zu dem schmalen Sandstreifen des Kleinen Strandes.
    Â»Komm nach vorn, Kind«, sagte Harriet, und Nora kletterte auf den Vordersitz, zwischen Reese und Harriet. Sie legten die Arme um sie.
    Â»Warum du?« fragte Nora. »Warum gerade du und nicht jemand wie Grimmy Bultram oder meine Handarbeitslehrerin?«
    Â»Nora«, sagte Harriet mit einem halben Lächeln, »hast du denn noch nicht gelernt, wie schwer es ist, das Leben zu verstehen?«
    Â»Warum passiert allen, die ich liebhabe, immer etwas Schlimmes?«
    Â»Irgend etwas Schlimmes passiert eigentlich jedem«, sagte Harriet.
    Nora prustete wegwerfend. »Aber im Vergleich !« Sie zog das Wort in die Länge. »Im Vergleich zu anderen passiert unserer Familie viel mehr Schlimmes als den meisten Leuten.«
    Harriet lehnte sich zurück. Sie war ehrlich erstaunt. »Nein, das stimmt nicht.«
    Â»Na klar!« Noras Ton war sarkastisch. »Grandmas Mann wird von einer Straßenbahn überfahren; meine anderen Großeltern waren Säufer – nichts für ungut. Mamas Ehemann verschwindet, und als er endlich wieder zurückkommt, hat er ungefähr zwei Drittel seines Verstandes verloren; Avel – entschuldige, Reese –, Avel stürzt mit dem Flugzeug ab, und du wirst Alkoholikerin. Ich bin doch nicht blöd, Tante Harriet. Ich kenn unsere Geschichte.«
    Reese nickte. »So gesehen kann ich das verstehen.«
    Â»Wie deine Mutter sagen würde, Nora: ›Wie bin ich eigentlich in dieses Scheißspiel reingeraten?‹« Harriet nahm Noras Hand. »Ach, schau mal, Reese. Nora läßt sich die Fingernägel wachsen.« Sie hob Noras Hand, umfaßte sie fest und zog sie auf ihren Schoß. »Nora, ich werde dir jetzt was sagen, das vielleicht schmalzig klingt, aber hör mir trotzdem zu. Es gibt vielleicht einen Test. Unsere Familie hat schwere Zeiten durchgemacht, ja – sehr schwere Zeiten, aber weißt du was? Die guten Zeiten wiegen insgesamt doch schwerer. Und weißt du, warum? Dank der guten alten Liebe, der wunderbaren Liebe.«
    Es blieb lange still im Auto, und als Nora sprach, zitterte ihre Stimme. »Du hast recht. Das war ziemlich schmalzig.«
    Â»Schmalz hat seinen Platz«, sagte Harriet. »Ich könnte dir jetzt endlos davon erzählen, wie ich dich manchmal ansehe und hingerissen bin, was für ein wunderbarer Mensch du bist. Verzaubert, weil du geworden bist wie – wie eine Beethoven-Symphonie, so voller Herausforderungen und unerwarteter Entwicklungen. Ich könnte endlos von meinem Mann schwärmen«, sie neigte den Kopf, um Reese anzusehen, »und euch erzählen, daß für mich der sicherste Ort auf der Welt in seinen Armen ist ... Ich könnte endlos weitermachen, aber ich kann es nicht, weil ich nicht genug Luft bekomme.« Sie atmete mühsam und lächelte. »Und wie Patty Jane sagt, wenn ich in den Himmel komme, brauche ich keinen Harfenunterricht.«
    Nora blähte die Nasenflügel und schluckte die Tränen hinunter. »Nein, du gibst ihn, Tante Harriet.«

28
    AM Morgen des 20. August erwachte Patty Jane sehr früh. »Clyde«, flüsterte sie.
    Â»Harriet?«
    Patty Jane nickte. »Ich gehe Kaffee machen.«
    Â»Soll ich mitkommen?«
    Sie zog das Leintuch über seinen dunklen Körper. »Gib mir ein paar Minuten, ja?«
    Als sie das Licht in der Küche anmachte, sah sie, daß die Morgendämmerung von einem dunklen, regnerischen Himmel verhüllt war. Gut, dachte sie, das wird Harriet recht sein. Anfang der Woche, als die Sonne herausgekommen war und mächtig geschienen hatte, hatte Harriet gesagt, es deprimiere sie, bei schönem Wetter krank zu sein.
    Seit einem Monat trug Reese Harriet täglich die Treppe hinauf und hinunter. Immer wollte sie eigentlich in den Salon, aber sie kam nie weiter als bis ins Wohnzimmer. Dort pflegte sie zu Reese zu sagen: »Die Couch da ist sehr verlokkend.«
    Sie hatte es abgelehnt, in ein Krankenhaus zu gehen. Ihre letzten Wünsche waren, ihrem Körper Schläuche und starke Medikamente zu ersparen, die Teilnahme von Evelyn Brights Studentenquartett beim Talentwettbewerb auf der Staatlichen Messe mitzuerleben und zu Hause zu
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